
Die letzte Bastion ukrainischer Kämpfer in Mariupol, das Asowstahl-Werk, steht vor der Eroberung durch die russische Armee. In den letzten Tagen konnten von dort einige Zivilisten evakuiert werden, es sollen sich aber noch viele in den Kellern aufhalten. Russische Soldaten haben nach Angaben der ukrainischen Verteidiger der Stahlfabrik in Mariupol die Anlage gestürmt. Der stellvertretende Kommandeur des für die Stahlfabrik zuständigen Azov-Regiments bestätigte, dass die Aktion am Dienstag begonnen habe. Die südukrainische Stadt Mariupol ist weitgehend zerstört und unter russischer Kontrolle. Im Stahlwerk haben sich jedoch ukrainische Kämpfer verschanzt, zudem sollen dort noch etwa 200 Zivilisten ausharren. Am Wochenende waren über 120 Zivilisten herausgelangt. Eine weitere geplante Evakuierungsaktion am Montag scheiterte.
Evakuierte aus dem belagerten Stahlwerk Azovstal in der ukrainischen Hafenstadt Mariupol sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation auf dem Weg in von der Regierung kontrollierte Gebiete. Die Leiterin des WHO-Büros in Kiew, Dorit Nitsan, sagte per Videoschalte aus der Stadt Saporischschja, WHO-Teams unterstützten gemeinsam mit anderen Hilfsorganisationen die bis zu 100 Menschen aus der Anlage. „Die Dinge sind in Bewegung“, sagte Nitsan. „Wir wissen, dass sie auf dem Weg sind.“ Es sei nicht klar, welche Art von medizinischer Hilfe die Evakuierten benötigten. Krankenhäuser und Trauma-Teams seien aber in Bereitschaft, um den ankommenden Menschen zu helfen.
In der ostukrainischen Region Donezk sind infolge russischer Angriffe nach ukrainischen Angaben mindestens 21 Zivilisten getötet worden. Weitere 27 wurden verletzt, teilte die Gebietsverwaltung am Dienstag in ihrem Telegram-Kanal mit. Zu zivilen Opfer sei es demnach vor allem in den umkämpften Städten Awdijiwka, Lyman und Wuhledar gekommen. Im benachbarten Gebiet Luhansk hat es laut dem Gouverneur Serhij Hajdaj um die Stadt Popasna die schwersten Kämpfe gegeben.
Die russischen Truppen haben nach ukrainischen Angaben versucht, weiter von Norden her auf das Donbass-Gebiet in der Ostukraine vorzustoßen, um die dort stationierten Truppen Kiews einzukesseln. Einzelne Einheiten aus Panzer- und Infanterietruppen sowie Fallschirmjäger führten Angriffe durch, teilte der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht mit. Auch ein Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums berichtete von ukrainischen Zielen, die getroffen worden sein – allerdings nicht, wo genau.
Merz erschüttert über Kriegszerstörung in der Ukraine
Der in die Ukraine gereiste CDU-Vorsitzende Friedrich Merz ist in Kiew angekommen. Zunächst informierte er sich am Dienstag in Irpin nahe der ukrainischen Hauptstadt über die dortigen Kämpfe in den vergangenen Wochen. Der Oppositionsführer zollte den ukrainischen Streitkräften für ihren Abwehrkampf gegen die russische Invasion „jeden Respekt“ und „große Anerkennung“, wie er im Sender Welt sagte. „Ich denke, wir sind in Deutschland auch weiter verpflichtet, diesem Land weiter zu helfen und gerade einer solchen Stadt wie Irpin auch beim Wiederaufbau zu helfen.“
Merz ist bei seinem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew von Präsident Wolodymyr Selenskyj empfangen worden. Das rund einstündige Gespräch sei „atmosphärisch und inhaltlich außergewöhnlich gut“ gewesen, teilte Merz‘ Sprecher Armin Peter am Dienstag auf Twitter mit. Über die Inhalte wolle Merz zunächst mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprechen. Merz hat sich bei seinem Besuch in Kiew bestürzt über die Zerstörungen durch den russischen Angriffskrieg gezeigt und Russland „Verbrechen“ vorgeworfen. „Ich bin wirklich vollkommen erschüttert hier gewesen, bin es immer noch, diese Bilder gehen einem nicht mehr aus dem Kopf“, sagte Merz nach einem Gespräch mit dem Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko. Im Kiewer Vorort Irpin habe er gesehen, dass auch Kulturzentren, Kindergärten und Krankenhäuser getroffen worden seien und wie sich der Krieg auch gegen die Zivilbevölkerung richte.
Botschafter Melnyk: Scholz spielt „beleidigte Leberwurst“
Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat das vorläufige Nein von Bundeskanzler Olaf Scholz zu einer Kiew-Reise scharf kritisiert. „Eine beleidigte Leberwurst zu spielen klingt nicht sehr staatsmännisch“, sagte Melnyk der Deutschen Presse-Agentur. „Es geht um den brutalsten Vernichtungskrieg seit dem Nazi-Überfall auf die Ukraine, es ist kein Kindergarten.“ Scholz hatte am Montagabend im ZDF gesagt, die Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durch die Ukraine stehe seiner Reise im Weg. Steinmeier wollte Mitte April eigentlich zusammen mit den Staatschefs von Polen, Lettland, Estland und Litauen nach Kiew fahren, erhielt aber kurzfristig eine Absage von Präsident Selenskyj.
US-Verteidigungsminister: Weitere Eskalation durch Russland denkbar
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hält eine weitere Eskalation des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine für denkbar. Es gebe mehrere Dinge, die der russische Präsident Wladimir Putin zur Eskalation tun könne, sagte Austin am Dienstag bei einer Anhörung im US-Senat auf eine entsprechende Frage. Dazu gehöre beispielsweise eine größere Cyber-Attacke oder der Einsatz von chemischen oder biologischen Waffen. Und schon jetzt sei Putins Vorgehen – mit Angriffen auf die Zivilbevölkerung, der Zerstörung von Städten und Dörfern und wahllosen Attacken – eine Eskalation.
Öl-Embargo der EU ohne Ungarn und Slowakei zeichnet sich ab
Nach dem Treffen der EU-Energieminister in Brüssel zeichnet sich kein gemeinsames Öl-Embargo aller Länder gegen Russland ab. Neben Ungarn machte auch die Slowakei am Dienstag deutlich, dass sie sich nicht für einen schnellen Einfuhrstopp gerüstet sieht. „Wenn es zu einem Embargo-Beschluss für russisches Öl in einem weiteren Sanktionspaket kommt, dann wird die Slowakei eine Ausnahme beantragen“, erklärte das dortige Wirtschaftsministerium. Die Slowakei bekommt nahezu ihr komplettes Öl über eine Pipeline aus Russland, Ungarn hatte sich generell gegen Energie-Embargos gewandt. Das Ministerium wies zudem daraufhin, dass man zudem die Ukraine ebenfalls mit Öl beliefere. Die Ukraine hat offenbar Verständnis für die Position. Außenminister Dmytro Kuleba lobte das Land für die Unterstützung: „Wir sind froh, einen solchen Nachbarn zu haben.“
Putin unterzeichnet Dekret für Sanktionen gegen den Westen
Der russische Präsident Wladimir Putin hat ein Dekret für wirtschaftliche Vergeltungssanktionen gegen den Westen unterzeichnet. Der Erlass sei eine Reaktion auf „unfreundliche Handlungen bestimmter ausländischer Staaten und internationaler Organisationen“, teilt das Präsidialamt in Moskau mit. Dem Dekret zufolge verbietet Russland die Ausfuhr von Produkten und Rohstoffen an Personen und Organisationen, gegen die es Sanktionen verhängt hat.
Es verbietet auch Geschäfte mit ausländischen Personen und Unternehmen, die von Russlands Vergeltungssanktionen betroffen sind, und erlaubt es russischen Geschäftspartnern, Verpflichtungen ihnen gegenüber zu verweigern. Details wurden nicht genannt. Die Regierung hat den Angaben zufolge nun zehn Tage Zeit, um eine Sanktionsliste mit Namen betroffener Personen und Unternehmen zu erstellen.
Papst bittet um Treffen mit Putin
Papst Franziskus hat nach eigenen Angaben um ein Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau gebeten, um sich für ein Ende des Krieges einzusetzen. Er habe aber keine Antwort erhalten, sagt das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche der italienischen Zeitung „Corriere Della Sera“. Der Papst äußert sich auch zur Rolle des Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche, Kyrill: Dieser könne „nicht Putins Messdiener werden“.
Der Patriarch hat Putins Vorgehen in der Ukraine öffentlich unterstützt und damit Irritationen auch in Teilen der orthodoxen Kirchen ausgelöst. Der Papst kritisiert Russlands Angriff auf die Ukraine und hat unlängst ein geplantes Treffen mit Kyrill abgesagt.
Quelle: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ukraine-russland-konflikt-blog-100.html