was willst du hier, wo der Nöte so viele sind und der Verhängnisse und der unbegreiflichen Wesen?
was über diesem Haus, in dem wir doch vor dem eigenen Leben nicht sicher sind, in dem wir wohnen wie Flüchtlinge mit der Flucht zusammen, die mit hereingekommen ist?
was über uns, die wir müde sind und unsern Mut draußen gelassen haben in den geängsteten Feldern?
… was willst du von den Bäumen, die älter sind, als der Älteste unter uns? Hast du einen Auftrag an den Staub dessen, der sie gepflanzt hat? Und den Alten hier was unterbrichst du ihn in seinem unaufhörlichen Andenken? – Und wir, Rührigen, wir sitzen stumpf da und halten unsere Kraft wie Blei in den Schultern und haben nichts zu tun, solange du handelst. Und die Kinder sind aufgewacht und wundern sich, und es ist ein Zorn in der Luft, den ihnen die Mutter nicht ganz ausreden kann. Sie drückt die kleinen Gesichter in ihren Schoß eins nach dem andern, aber jedes Gesicht weiß und ist nicht wieder gut zu machen.
Gewitter Gewitter, was willst du hier, wo schon alles ist, du Überfluss? Das Leben ist hier, und in den Zwischenräumen ist der Tod; Schmerzen sind da von allen Größen und ein bisschen Freudesamen irgendwo in einer Lade. Es ist alles vollzählig, kann ich dir versichern, auch das Zerbrochene, auch die Asche im Herd, auch die Kartoffelschalen. Und das Krachen im Holz und die Finsternis unter der Treppe und alles, was nur hereingeht.
Lass doch die Mächte zu den Mächten kommen, ewiger Gott, nicht über uns.
Gewitter, Gewitter, geh zur Jungfrau Maria (kennst du sie nicht?), mach dich so stark wie du magst, sie wird dich lieb haben, denn sie ist stärker als du. Sie wird mit dir spielen und nicht merken, dass du furchbar bist: denn sie ist stärker als du. Sie wird dich in die Hand nehmen wie eine große Hummel und sich stechen lassen von dir, und es wird kein Schmerz werden in ihrer Hand, sondern Wohltun in deinem Stachel…
Rainer Maria Rilke