Letzter Zuruf: Lous Abschiedsbrief an Rilke vom 26.2.1901

Spektakuläre Erwerbung: Die Erben des Dichters übereignen ihren Bestand dem Deutschen Literaturarchiv.

Wäre man bisher nach dem kostbarsten Besitz des Deutschen Literaturarchivs in Marbach gefragt worden, hätte die spontane Antwort vermutlich gelautet: das Manuskript von Kafkas „Prozess“. Nun bekommt das Archiv einen spektakulären Zuwachs, den man dieser Jahrhunderterwerbung getrost zur Seite stellen kann: der Nachlass von Rainer Maria Rilke. Aus dem Privatbesitz der Familie wandert er von Gernsbach auf die Schillerhöhe. Neben Kafka zählt dieser andere 1875 in Prag geborene Autor zu den weltweit wichtigsten deutschsprachigen Vertretern der literarischen Moderne.

Paris, Worpswede, Duino, Sierre, Petersburg – all dies sind Orte, die die Landkarte des Dichters kartografieren. Doch künftig führen alle Wege über Marbach. Neben Gernsbach, dem schweizerischen Literaturarchiv und der in der Universitätsbibliothek von Harvard aufbewahrten Sammlung von Richard Mises war Marbach schon bisher ein Knotenpunkt der Rilke-Philologie, mit einem Bestand von über 1000 Autografen. Diese Zahl wird sich nun vervielfachen. Von dem, was dazu kommt, konnte man sich schon 2017 in der im Literaturmuseum der Moderne gezeigten Ausstellung „Rilke und Russland“ ein Bild machen, zu der die Erben zahlreiche erstmals gezeigte Objekte beigesteuert haben.

Was sich genau in dem auf der Liste der geschützten Kulturgüter verzeichneten Bestand befindet, soll erst an diesem Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Berlin bekannt gegeben werden. Von zentraler Bedeutung für Rilkes Werk ist die umfangreiche Korrespondenz, die er mit Personen aus aller Welt geführt hat. Ein beachtlicher Teil des Nachlasses soll aus noch weitgehend unerschlossenen Briefen an Rilke bestehen, darunter solche seiner Weggefährtin Lou Andreas-Salomé.

Stefan Kister

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