Berlin, Brüssel und Paris ließen am Samstagabend nicht lange auf sich warten. Man wartete nur ab, bis die großen Fernsehsender den Sieg für Joe Biden verkündet hatten – dann gab es rasche Signale der Anerkennung und Unterstützung für den Wahlsieger. Der tagelange Auszählungsprozess hatte genug Zeit gegeben, um sich innerhalb der Bundesregierung, aber vor allem auch auf europäischer Ebene abzusprechen, dass die Glückwünsche an Biden und seine Stellvertreterin Kamala Harris rasch erfolgen sollten. „Ich freue mich auf die künftige Zusammenarbeit mit Präsident Biden. Unsere transatlantische Freundschaft ist unersetzlich, wenn wir die großen Herausforderungen dieser Zeit bewältigen wollen“, schrieb Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Twitter. Ähnlich äußerte sich der französische Präsident Emmanuel Macron: „Wir haben viel zu tun, um die aktuellen Herausforderungen in Angriff zu nehmen. Handeln wir zusammen!“ Und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerte: „Die EU-Kommission steht bereit, die Zusammenarbeit mit der neuen Regierung und dem neuen Kongress zu intensivieren.
In Berlin herrschte Erleichterung – nicht nur über Bidens Sieg, sondern auch darüber, dass der Wahlprozess zwar langsam und zäh, aber letztlich doch ordnungsgemäß zu Ende gegangen ist. Dass der Sieg Bidens am Ende recht deutlich ausfallen wird, gilt in Berlin als Chance, dass die Vereinigten Staaten die extreme Polarisierung der Gesellschaft vielleicht doch überwinden können.
Merkel wird sich am Montag Vormittag noch einmal ausführlicher zu dem Wahlausgang äußern. Vor vier Jahren hatte sie nach Trumps Wahlsieg über gemeinsame Werte gesprochen, nämlich „Demokratie, Freiheit, den Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, Religion, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung“. Und sie fuhr fort: „Auf der Basis dieser Werte biete ich dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, eine enge Zusammenarbeit an.“ Die Konditionierung war als Kritik an Trump gewertet worden. Merkel kennt Biden aus den acht Jahren seiner Zeit als Vizepräsident, es gab ein langes Gespräch im Kanzleramt, das als „gut“ beschrieben wird. Vizepräsidentin Harris kennt Merkel bisher nicht. In Berlin geht man davon aus, dass auch Bekannte aus Obamas Mannschaft in Bidens Team auftauchen werden.

MARKUS WEHNER
https://www.faz.net/aktuell/politik/wahl-in-amerika/ihre-erleichterung-ueber-biden-verhehlen-sie-nicht-17042919.html