Er war müde. Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: “Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht…”
Ich antwortete: “Gewiß” und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Mond.
“Die Wüste ist schön”, fügte er hinzu…
Und das war wahr. Ich habe die Wüste immer geliebt. Man setzt sich auf eine Sanddüne. Man sieht nichts. Man hört nichts. Und währenddessen strahlt etwas in der Stille.
“Es macht die Wüste schön”, sagt der kleine Prinz, “daß sie irgendwo einen Brunnen birgt.”
Ich war überrascht, dieses geheimnisvolle Leuchten des Sandes plötzlich zu verstehen. Als ich ein kleiner Junge war, wohnte ich in einem alten Haus, und die Sage erzählte, daß darin ein Schatz versteckt sei. Gewiß, es hat ihn nie jemand zu entdecken vermocht, vielleicht hat ihn nie jemand gesucht. Aber er verzauberte dieses ganze Haus. Mein Haus barg ein Geheimnis auf dem Grunde seines Herzens…
“Ja”, sagte ich zum kleinen Prinzen, “ob es sich um das Haus, um die Sterne oder um die Wüste handelt, was ihre Schönheit ausmacht, ist unsichtbar!”
“Ich bin froh”, sagte er, “daß du mit meinem Fuchs übereinstimmst.”
Da der kleine Prinz einschlief, nahm ich ihn in meine Arme und machte mich wieder auf den Weg.
Ich war bewegt. Mir war, als trüge ich ein zerbrechliches Kleinod. Es schien mir sogar, als gäbe es nichts Zerbrechlicheres auf der Erde. Ich betrachtete im Mondlicht diese blasse Stirn, diese geschlossenen Augen, diese im Winde zitternde Haarsträhne, und ich sagte mir: Was ich da sehe, ist nur eine Hülle. Das Eigentliche ist unsichtbar…
Da seine halbgeöffneten Lippen ein halbes Lächeln andeuteten, sagte ich mir auch: Was mich an diesem kleinen eingeschlafenen Prinzen so sehr rührt, ist seine Treue zu einer Blume, ist das Bild einer Rose, das ihn durchstrahlt wie eine Flamme einer Lampe, selbst wenn er schläft… Und er kam mir noch zerbrechlicher vor als bisher. Man muß die Lampe sorgsam schützen: Ein Windstoß kann sie zum Verlöschen bringen…
Antoine de Saint-Exupéry