Plötzlich steigt mir wie eine Seifenblase die Frage auf: Bist du eigentlich glücklich?
Ja, natürlich. Aber warte noch – nein, so eigentlich glücklich-nein, doch ich muss mich erst besinnen. Und wie ich mich besinne, fällt mir ein, dass man nicht vom Glück reden soll. Glück ist ja nichts, ein Wort, ein Unsinn; es kommt auf andres an. Indem ich nachdenke, verwandelt sich die Frage. Ich möchte nun auf einmal wissen, wann mein frohester Tag, meine seligste Stunde war.
Mein frohester Tag! Ich muss lachen. In meiner Erinnerung, da, wo die guten, reinen, köstlichen Augenblicke aufgeschrieben sind, steht einer neben dem andern, zehn und hundert, und viel mehr als hundert, und jeder ist fehlerlos, mit ungetrübter Lust erfüllt, und einer ist so schön wie der andre, und keiner gleicht dem andern.
Ich finde kein Ende. Wieviel Sonnen haben mich verbrannt, wieviel Flüsse und Ströme mich gekühlt, wieviel Wege mich getragen und Bäche mich begleitet! Wieviel Blicke in blaue Himmel und in unvergesslich lebendige, liebe Menschenaugen habe ich getan, wieviel Tiere liebgehabt und an mich gelockt! Von diesen Augenblicken ist keiner schöner als der andere. Auch dieser gegenwärtige, da ich den Becher langsam leere, der Musik lausche und liebe Erinnerungen hege, auch dieser gegenwärtige Augenblick ist keiner von den schlechten.

Hermann Hesse