Das Bündnis „Odenwald gegen Rechts – bunt statt braun“ und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) im Odenwaldkreis riefen zu einer Kundgebung auf dem Marktplatz in Michelstadt auf, gut 2000 Menschen waren am Samstag gekommen.

So gefüllt hat man den Rathausplatz in Michelstadt selten gesehen. Nach Angaben der Veranstalter waren es wohl bis zu 2000 Menschen, die am Samstagmittag gekommen waren, um ihr persönliches Zeichen gegen Rechtsextremismus, Hass und Hetze zu setzen. Viele hatten ihre unmissverständlichen Botschaften auf mitgebrachten Schildern festgehalten. „Wehret den Anfängen“, „Liberté, Egalité, Fck AfD“, „Wenn die AfD die Antwort ist, wie dumm war dann die Frage?“ oder „Odenwälder spalten Holz und nicht das Volk“, war auf den Transparenten zu lesen, die die Teilnehmer in die Höhe hielten.
Es gebe Hoffnung bei all den Menschen, die seit den Enthüllungen um das konspirative Treffen in Potsdam auf die Straße gegangen sind, sprach Harald Staier (Bündnis gegen Rechts) in sein Mikrofon. „Die AfD ist eine Gefahr für eine demokratische Gesellschaft“, betonte er, aber noch sei die Partei nicht an der Macht. „Noch ist Zeit, sie zu stoppen“, ist sich Staier sicher. „Wir lassen uns unsere Demokratie nicht kaputtmachen!“

Jeder sei aufgefordert, wann immer Rechtsextreme rassistische, antisemitische, ausländerfeindliche Aussagen machen, deutlich zu widersprechen – ob am Arbeitsplatz, im Verein, am Stammtisch oder bei Familienfeiern. Es ist sehr spät, aber nicht zu spät für die Zivilgesellschaft, der AfD mit Widerstand zu begegnen, bemerkte Gunther Fuchs (Bündnis gegen Rechts) in seiner Ansprache. Eine Demonstration wie in Michelstadt müsse ein Weckruf sein gegen all die Höckes, die ein anderes, ein fremdenfeindliches Deutschland wollen.
In der Odenwälder Stadt habe man gezeigt, wer die wirkliche Mehrheit ist, sagte DGB-Regionalsekretär Horst Raupp bei der Veranstaltung. „Jeder Mensch, der anders aussieht, denkt, lebt oder liebt, als es den Rechten passt, ist in Gefahr, auf die Deportationsliste gesetzt zu werden. Wenn sich die Geschichte nicht wiederholen soll, müssen wir zusammenhalten und unsere Demokratie aktiv verteidigen.“ Demokratie sei nicht nur eine Staatsform, Demokratie „ist eine Haltung“, und „diese Haltung muss im Alltag gelebt werden“, machte Raupp klar.

Dabei sei die AfD keine Alternative, sondern eine zutiefst unsoziale Partei, die die Menschenwürde mit Füßen trete. Deshalb forderte Raupp dazu auf, demokratisch zu wählen: „Machen Sie Ihr Kreuz da, wo es garantiert keinen Haken hat!“ Zugleich sprach sich Raupp dafür aus, der AfD die staatlichen Mittel aus der Parteienfinanzierung zu entziehen, denn „wer gegen die Demokratie hetzt und die Demokratie beseitigen will, darf vom demokratischen Staat keine finanzielle Förderung bekommen.“. Mit den Worten: „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“, schloss Raupp seine Ansprache.

Weitere Spaltung im Land vermeiden

Der Evangelische Dekan Carsten Stein räumte ein, selten auf Demos zu sprechen, müsse sich aber nun öffentlich gegen Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung äußern. „Es gibt Situationen, wo ein deutliches Nein nötig ist.“ Dabei gab Stein zu bedenken, dass nicht die, die nach Michelstadt gekommen sind, allein die Guten seien. Vielmehr müsse vermieden werden, dass sich das Land weiter spalte. Man müsse mit allen Meinungsvertretern im Gespräch bleiben. „Vieles, was gerade passiert, erinnert an die 20er, 30er -Jahre mit all den Krisen und der Suche des Menschen nach einfachen Lösungen, die es nicht gibt. Man habe gesehen, wohin der falsche Weg führt“, so Stein.

„Es liegt an uns, gegen rechte Fantasien einzustehen“, meinte Konrad Kißling, Schulsprecher des Gymnasiums Michelstadt. Es sei nicht nur das politische Spektrum in Deutschland aus den Fugen geraten. Christian Senker (Awo) will die „Straße nicht den Rechten überlassen“. „Wir haben zu lange ertragen, dass Faschisten den Diskurs bestimmen.“ Rekha Krings (SPD) war die Erleichterung anzuhören, dass so viele Odenwälder zur Kundgebung gekommen waren. Das große Interesse an der Veranstaltung zeige, wie stark das Bedürfnis nach Vielfalt in der Gesellschaft sei, denn „Vielfalt macht uns reicher“.

Demos allein reichen nicht

Man dürfe die AfD-Anhänger nicht verdammen, sondern müsse die Menschen zurückgewinnen, die den Glauben an die Gesellschaft verloren hätten. „Es ist unsere Pflicht, aktiv zu werden. Nichts ist schlimmer als Nichtstun“, so Krings. Und fast jeder gehöre nicht zum Leitbild der Rechten. Letztlich gehe es nicht darum, wo jemand herkommt, sondern was jemand tut. „Wir glauben an ein Wir und müssen zugleich Brücken des Verständnisses bauen.“
Christiane Böhm von den Linken schlug den Bogen von der Befreiung des KZ Ausschwitz vor 79 Jahren. Nur 7000 Gefangene habe man noch lebend im Konzentrationslager antreffen können, 16.000 waren bis zuvor noch auf den Todesmarsch gegangen. „Das darf sich nie wieder wiederholen!“

Elisabeth Bühler-Kowarsch von den Grünen dankte all den Menschen, die am Samstagmittag nach Michelstadt gekommen waren, und damit Haltung gezeigt hätten. Es gehe auch um die Menschen, die in den 60er-Jahren zum Arbeiten nach Deutschland gekommen sind. Damals wurden Menschen eingeladen zu kommen, um Arbeiten zu übernehmen, die niemand machen wollte, erinnert Bühler-Kowarsch. Diese Generation sei angekommen, die Kinder mit eigenen Familien ein wichtiger Teil Deutschlands. „Es ist beschämend, wenn Menschen, denen wir unseren Wohlstand zu verdanken haben, so behandelt werden und nach Willen der AfD abgeschoben werden sollen.“
„Unsere Wirtschaft würde sofort zusammenbrechen, wenn wir keine Zuwanderung hätten“, so die Kommunalpolitikerin. Zugleich erinnerte Bühler-Kowarsch mit 22 Prozent an die „erschreckenden“ Wahlergebnisse der AfD bei der letzten Landtagswahl. Und so war sie wieder ganz nah, die Angst vor einer Partei, die das Land in alte Zeiten zurückführen könnte, die längst vorbei schienen.

(c) Sandra Breunig