Lass uns hier ein wenig ruhn am Strande,
Phoibos Strahlen spielen auf dem Meere.
Siehst du dort der Wimpel weiße Heere?
Reisg’e Schiffe ziehn zum fernen Sande.

Ach wie ists erhebend sich zu freuen
An des Ozeans Unendlichkeit!
Kein Gedanke mehr an Maß und Räume
Ist, ein Ziel, gesteckt für unsre Träume;
Ihn zu wähnen dürfen wir nicht scheuen
Unermeßlich wie die Ewigkeit.

Wer hat ergründet des Meeres Grenzen,
Wie fern die schäumende Woge es treibt?
Wer seine Tiefe, wenn mutlos kehret
Des Senkbleis Schwere,
Im wilden Meere
Des Ankers Rettung vergeblich bleibt?

„Möchtest du nicht mit den wagenden Seglern
Kreisen auf dem unendlichen Plan?“
O, ich möchte wie ein Vogel fliehen,
Mit den hellen Wimpeln möcht ich ziehen,
Weit, o weit, wo noch kein Fußtritt schallte,
keines Menschen Stimme widerhallte,
Noch kein Schiff durchschnitt die flücht’ge Bahn.

Annette von Droste-Hülshoff