Du aus den Händen der Natur,
Zu ihrem Ruhm hervorgegangene Schöne!
Jetzt singet, auf der arm gewordnen Flur,
Nicht mehr die Lerche. Jetzt verlernt die Thöne
Selbst deiner Schwester Nachtigall. Sie schweigt
In ihrem melancholischen Gehäuse;
Tief denkend sitzt sie da – so sitzet oft der Weise,
Der Menschenfreund, wenn fremde Noth ihn beugt,
Wenn drückend Elend kommt mit jung gewordnen Tagen,
Wenn durch das Vaterland die lautgestöhnten Klagen
Erschallen allgemein: Dann sitzet traurig er,
Verstummt von Schmerz, und blickt umher,
Ob aufgeklärtre Tage kommen –
Du holdes Mädchen, von zwey Frommen,
Im Lande Friedrichs auf die Welt gebracht;
Unmuthig siehest du den Bäumen ihre Pracht,
Den Blumen ihren Reiz benommen.

Der Maulbeerbaum – er stehet blätterlos;
Wie liegen unter ihm, die stolz getragne Locken
Zerstreut, auf schwarzer Erde Schooß,
Den blassen Leichen gleich! O! ihre Sterbeglocken,
Die rauhen Winde stürmten um sie her.
Wie ist die Reben-Wand von ihrem Schmuck so leer!
Nichts grünet mehr in dem beliebten Raume,
Wo du Lustwandeln giengst, wo Blumen sich gebückt,
Vor deines weissen Kleides Saume,
Wann sie dein Angesicht erblickt.

Anna Louisa Karsch