Als Bürger sollte man vermuten: Rund um die Uhr arbeiten. Bei Gesundheitsämtern und Landräten nachfragen, wo die Landesregierung helfen kann. Nachschub von Impfstoff sicherstellen, bei Bedarf Masken organisieren. Mit Virologen und medizinischen Experten sprechen. Großen Unternehmen in Not helfen. Kleinen Unternehmen in Not helfen. Was man so tut als Spitzenpolitiker in der größten medizinischen Krise der letzten hundert Jahre.Bodo Ramelow (LINKE), Ministerpräsident von Thüringen, findet Zeit, stundenlang in einer Laber-App namens „Clubhouse“ unterwegs zu sein. Darin berichtet er, dass er in der Konferenz mit der Kanzlerin und seinen Amtskollegen, in der es um die Zukunft von Deutschland geht, „Candy Crush“ spielte. Zehn Level schaffe er, berichtet er. Haha, wie lustig! Kanzlerin Merkel – bei der er sich noch vor kurzem wegen seiner Fehleinschätzung der Corona-Entwicklung entschuldigte – ist in der Runde „Merkelchen.“ Mit Covid-19 könne er angesichts der aktuellen Zahlen „nicht punkten“.Alleine dieser Satz.Mehr als 50.000 Menschen sind in Deutschland an und mit Covid-19 gestorben. 1978 in Thüringen.Wir können uns hierzulande über mehr als 30.000 Lügen von Donald Trump aufregen oder lustig machen.Wir können aber auch mal kurz innehalten und überlegen, was mit unseren Spitzenpolitikern, den Clubhouse-Eumeln Ramelow oder Christian Lindner (FDP) los ist. Führungskräfte, die wie Teenager darum balgen, in einer neuen Laber-App präsent zu sein (was dank eines anwesenden Journalisten publik wird). Arbeiten die eigentlich noch in der Tagespolitik – oder ist die nur noch lästiges Übel fürs eigene Image-Gedübel zwischen Social Media, Candy Crush und dem nächsten Talkshow-Auftritt? Aber dann schön betroffen.Ramelow hat nicht nur die Nerven, in einer der wichtigsten Konferenzen des Jahres, in der es um so vieles geht, auf seinem Handy zu daddeln. Er hat so wenig Selbsteflexion und Anstand, dass er hinterher noch darüber plaudert, als sei es ganz normal.Ich habe diverse Einladungen für „Clubhouse“ erhalten. Ich habe keine Zeit für diesen Mist. Wir sind dabei, unsere Firma am Laufen zu halten, um Mieten und Gehälter unserer Mitarbeiter zu zahlen. Woche Sieben des Lockdowns beginnt.Ich lese nun von „Candy-Crash“ und „Merkelchen“ und “Clubhouse”. Ich habe es noch nie geschrieben, aber diesmal geht es nicht anders: Ich möchte wirklich kotzen.

Stefan Kruecken, Verlagsleitung Ankerherz

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