Die Dämmerung war längst herein gebrochen,
Ich hatt’ dich nie geseh’n, du tratst heran,
Da hat dein Mund manch mildes Wort gesprochen
In heil’gem Ernst, der dir mein Herz gewann.
Still, wie du nahtest, hast du dich erhoben
Und sanft uns Allen gute Nacht gesagt,
Dein Bild war tief von Finsterniß umwoben,
Nach deinem Namen hab’ ich nicht gefragt.

Nun wird mein Auge nimmer dich erkennen,
Wenn du auch einst vorüber gehst an mir,
Und hör’ ich dich von fremder Lippe nennen,
So sagt dein Name selbst mir Nichts von dir.
Und dennoch wirst du ewig in mir leben,
Gleichwie ein Ton lebt in der stillen Luft,
Und kann ich Form dir und Gestalt nicht geben,
So reißt auch keine Form dich in die Gruft.

Das Leben hat geheimnißvolle Stunden,
D’rin thut, selbst herrschend, die Natur sich kund;
Da bluten wir und fühlen keine Wunden,
Da freu’n wir uns und freu’n uns ohne Grund.
Vielleicht wird dann zu flüchtigstem Vereine
Verwandtes dem Verwandten nah’ gerückt,
Vielleicht, ich schaudre, jauchze oder weine,
Ist’s dein Empfinden, welches mich durchzückt!
Friedrich Hebbel