ICH habe Tote, und ich ließ sie hin und war erstaunt, sie so getrost zu sehn,
so rasch zuhaus im Totsein, so gerecht,
so anders als ihr Ruf. Nur du, du kehrst zurück; du streifst mich, du gehst um, du willst
an etwas stoßen, daß es klingt von dir und dich verrät. O nimm mir nicht, was ich
langsam erlern. Ich habe recht; du irrst wenn du gerührt zu irgend einem Ding
ein Heimweh hast. Wir wandeln dieses um; es ist nicht hier, wir spiegeln es herein
aus unserm Sein, sobald wir es erkennen.
Ich glaubte dich viel weiter. Mich verwirrts, daß du gerade irrst und kommst, die mehr
verwandelt hat als irgend eine Frau. Daß wir erschraken, da du starbst, nein, daß
dein starker Tod uns dunkel unterbrach, das Bisdahin abreißend vom Seither:
das geht uns an; das einzuordnen wird die Arbeit sein, die wir mit allem tun.
Doch daß du selbst erschrakst und auch noch jetzt den Schrecken hast, wo Schrecken nicht mehr gilt;
daß du von deiner Ewigkeit ein Stück verlierst und hier hereintrittst, Freundin, hier,
wo alles noch nicht ist; daß du zerstreut, zum ersten Mal im All zerstreut und halb,
den Aufgang der unendlichen Naturen nicht so ergriffst wie hier ein jedes Ding;
daß aus dem Kreislauf, der dich schon empfing, die stumme Schwerkraft irgend einer Unruh
dich niederzieht zur abgezählten Zeit –:
dies weckt mich nachts oft wie ein Dieb, der einbricht.
Und dürft ich sagen, daß du nur geruhst, daß du aus Großmut kommst, aus Überfülle,
weil du so sicher bist, so in dir selbst, daß du herumgehst wie ein Kind, nicht bange
vor Örtern, wo man einem etwas tut –:
doch nein: du bittest. Dieses geht mir so bis ins Gebein und querrt wie eine Säge.
Ein Vorwurf, den du trügest als Gespenst, nachtrügest mir, wenn ich mich nachts zurückzieh
in meine Lunge, in die Eingeweide, in meines Herzens letzte ärmste Kammer,
ein solcher Vorwurf wäre nicht so grausam, wie dieses Bitten ist. Was bittest du?

Rainer Maria Rilke