Mystische Zeit zwischen den Jahren
Von Benjamin Esche

Noch immer ist die Zeit zwischen Weihnachten und dem 6. Januar eine besondere Zeit. Die Arbeit ruht größtenteils, die Familien sind zusammen. Früher sprach man von den Rauhnächten, einer Zeit voller Bräuche, Weissagungen und – Ruhe.

Rund um die sogenannten Rauhnächte ranken sich Weissagungen, Bräuche und Rituale, die teilweise viele Jahrhunderte alt sind. Entstanden sind die zwölf Rauhnächte zwischen Heiligabend und dem Dreikönigstag (6. Januar) in einer Zeit, in der Naturphänomene nicht wissenschaftlich erschlossen waren und die Dunkelheit nur schwer zu vertreiben war. “Es war besonders früher eine dunkle Zeit mit nur kurzen Tageslichtphasen”, erklärt die Volkskundlerin Dagmar Hänel dem WDR. “Damals gab es kein elektrisches Licht, sodass die Dunkelheit viel gravierender erlebt wurde”, ergänzt Hänel, die am Bonner LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte die Abteilung Volkskunde leitet.

Wie dieser Mythos wachsen konnte
Befördernd war wohl, dass die Weihnachtszeit seit jeher eine arbeitsfreie Zeit war. “Die Menschen kamen zusammen, haben gefeiert und sich Geschichten erzählt”, erläutert Hänel. “Auch Geschichten von unheimlichen Begegnungen in der Dunkelheit.” So glaubten die Menschen, dass während der Rauhnächte viele Geister unterwegs seien. Der Percht als Göttin der Rauhnächte wurde eine besondere Bedeutung zugesagt. Sie sollte laut Volksglauben darüber wachen, dass die Menschen nicht arbeiten und zur Ruhe kommen sollten. Vor allem im Alpenland war es Brauch, diese Gestalten, die sich mit der Dunkelheit anlegen, mit Masken und Glocken auch darzustellen.

Die Wortherkunft “Rauhnächte” ist nicht eindeutig geklärt. So sehen manche Experten eine Verbindung zu “pelzig” oder “haarig” und belegen das mit den vermummten Pelzgestalten der alpinen Perchtengestalt. “Andere Autoren beziehen sich auf das Ausräuchern der Häuser mit Weihrauch, das angeblich zum Schutz vor bösen Geistern in der Weihnachtszeit praktiziert wurde”, erklärt Volkskundlerin Hänel. “Ich persönlich vermute, dass das Wort erst im 19. Jahrhundert im Zuge der romantisch-mythologischen Volkskunde aufgekommen ist.”

Bräuche geben Freiraum
Auch der genaue Ursprung der Rauhnächte lässt sich nur schwer ermitteln. Vermutlich geht er auf den germanischen Mondkalender zurück, der ein Jahr mit zwölf Mondmonaten und 354 Tagen beziffert. Die zum heutigen Sonnenkalender fehlenden elf Tage – oder zwölf Nächte – wurden als Tage außerhalb der Zeit angesehen. “Ein fester Kalender mit Jahreswechsel wurde erst spät in der frühen Neuzeit mit dem gregorianischen Kalender eingeführt”, sagt Volkskundlerin Hänel. “Vorher gab es regional unterschiedliche Termine des Jahresanfangs.”

Doch was ist von den altertümlichen Rauhnächten heute noch geblieben? “Viele Bräuche praktizieren wir heute in anderer Form”, sagt Dagmar Hänel vom LVR. “Bräuche verändern sich, weil sie immer etwas mit der aktuellen Lage einer Gesellschaft zu tun haben.” Brauch- und Ritualzeiten würden Menschen Freiraum zum Handeln und Nachdenken geben. Doch die moderne Welt hat sich stark verändert. “In den Städten haben wir es kaum noch mit Dunkelheit zu tun”, sagt Vera Griebert-Schröder. “Es wird sogar unachtsam mit Licht umgegangen.” Stichwort: Lichtverschmutzung.

Obwohl Herkunft und Entwicklung der Rauhnächte-Überlieferung wissenschaftlich ungeklärt sind und der eigentliche Sinn der Rauhnächte heutzutage kaum noch gelebt wird, empfiehlt Autorin Griebert-Schröder, dass sich die Menschen gerade in dieser Zeit auch mal zurückziehen sollten. “Mal innehalten, sich auf sich selbst wieder rückbesinnen und die Dunkelheit auch mal spüren.” Das helfe jedem Menschen, achtsamer zu werden und bei sich selbst anzukommen.

Quelle: https://www1.wdr.de/wissen/rauhnaechte-100.html