Wenn du noch eine Mutter hast,
So danke Gott und sei zufrieden;
Nicht allen auf dem Erdenrund
Ist dieses hohe Glück beschieden.
Wenn du noch eine Mutter hast,
So sollst du sie mit Liebe pflegen,
Daß sie dereinst ihr müdes Haupt
In Frieden kann zur Ruhe legen.
Denn was du bist, bist du durch sie;
sie ist dein Sein, sie ist dein Werden,
Sie ist dein allergrößtes Gut,
Und ist dein größter Schatz auf Erden.
Des Vaters Wort ist ernst und streng,
Die gute Mutter mildert´s wieder;
Des Vaters Segen baut das Haus,
Der Fluch der Mutter reißt es nieder.
Sie hat vom ersten Tage an,
Für dich gelebt mit bangen Sorgen;
Sie brachte abends dich zur Ruh’
und weckte küssend dich am Morgen.
Und warst du krank, sie pflegte dein,
Den sie mit tiefem Schmerz geboren;
Und gaben alle dich schon auf –
Die Mutter gab dich nicht verloren.
Sie lehrte dir den frommen Spruch,
Sie lernte dir zuerst das Reden;
Sie faltete die Hände dein,
Und lehrte dich zum Vater beten.
Sie lenkte deinen Kindersinn,
Sie wachte über deine Jugend;
Der Mutter danke es allein,
Wenn du noch gehst den Pfad der Tugend.

[…]

Und hast du keine Mutter mehr,
Und kannst du sie nicht mehr beglücken,
So kannst du doch ihr frühes Grab
Mit frischen Blumenkränzen schmücken.
Ein Muttergrab, ein heilig Grab,
Für dich die ewig heil’ge Stelle;
O, wende dich an diesen Ort,
Wenn dich umtost des Lebens Welle!

Friedrich Wilhelm Kaulisch