Risin og Kellingin, Färöer

Eine Woche Nordatlantik-Detox

Beim Frühstück schwammen Wale an der Islandfähre vorbei. Zwei Fluken tauchten wenige Seemeilen hinter Shetland im Meer auf. Für einige Sekunden nur, aber das reichte aus, um für einige Begeisterung im Restaurant auf Deck 6 der Fähre zu sorgen, zwischen dem Koch mit den Pfannkuchen und der Kaffeemaschine.
Wir sind auf der Heimfahrt unserer Tour nach Island, die wir nach der „Skua“ benannt haben, der großen Raubmöwe des Nordatlantiks. Während ich diese Kolumne schreibe, läuft die „Norrona“ mit etwas mehr als 16 Knoten Richtung Dänemark. Der Kapitän möchte vor einem großen Sturm, der über Großbritannien heranzieht, im sicheren Hafen sein. Im Fenster meiner Kabine sehe ich eine Ölplattform.
Was war das für eine Reise!


Ein surreal bunter Abendhimmel über dem Leuchtturm von Muckle Flugga, meinem Sehnsuchtsort, ganz im Norden von Shetland. Nordlichter bei der Ausfahrt aus dem Fjord von Seydisfjördur im Osten Islands. Eine Wanderung zu einem Wasserfall auf einem Hochplateau, was Mitreisende an eine Kulisse im Film „Herr der Ringe“ erinnerte. Eine große Skua, die an der kleinen Kirche von Kirkjubøur auf den Färöern vorbeiflog. Dann ein Regenbogen wie mit Buntstiften hingemalt. Und die Wale.
Wir haben Shantys gesungen und gelacht und Geschichten gehört und dabei Bier aus Gläsern getrunken, von denen ein Schaf glotzt. Ein alter Kapitän erzählte, wie damals die Dinge im Sturm und in den Häfen liefen. Was die Skua-Tour für mich diesmal besonders machte, war die bewusste Entscheidung, weitgehend auf das Bordinternet zu verzichten. Na klar, einige Male habe ich die Nachrichten gecheckt und natürlich zu Hause gefragt, wie es den Kindern geht und die Lage in der Firma ist. Auf der anderen Seite von Island drohte ein großer Vulkanausbruch und der Wetterbericht ist immer von Interesse, um rechtzeitig Tabletten gegen Seekrankheit zu verteilen.
Aber sonst? Der übliche Nachrichtenstrom aus Gaza und Russland, aus Putin und Trump und AfD, aus Geklöter und Geschrei blieb diesmal aus. Es wurde so ruhig an Bord. Was den Eindruck verstärkte, nicht nur auf einem Schiff, sondern einem Raumschiff unterwegs zu sein. Nur das wilde Meer.
Wind. Wellen schauen, an ganz viel oder mal einfach an nix denken. Nordatlantik-Detox. Zu den Dingen, die ich von Kapitän Schwandt gelernt habe, gehört der Satz, dass eine Seereise hilft, die Dinge einzusortieren. Vielleicht ist das der Weg durch die nächsten Monate, auch ohne die Aussicht auf einen wilden Ozean und Wale beim Frühstücksrührei. Es geht nicht darum, die Welt verdrängen, denn dafür sind die Zeiten zu gefährlich und zu verrückt. Aber sie nicht immer und ständig reinzulassen. Weniger ist manchmal Meer.

Stefan Kruecken
Hamburger Morgenpost 18.11.2023