13december023

Es gibt keinen Moment im langen Jahre, wo man sich ihre immerfort mögliche Erscheinung und
dann Allgegenwärtigkeit so lebhaft ins Gemüt zu rufen vermöchte,
wie diese über die Jahrhunderte hin unabhängige Winter-Nacht,
die durch die unvergleichliche Hinzukunft jenes alle Wesen umwandelnden Kindes
die Summe aller übrigen Erdenmächte an Wert mit einem Schlag überwog und übertraf.
Mag der leichte Sommer, wo das Dasein um ein Beträchtliches erträglicher und mühloser scheint,
wo wir nicht so unmittelbar Anfeindung aus der Luft und aus der heiter beschäftigten Natur uns zu erwehren haben -,
mag der glücklichere Sommer uns mit Tröstungen verwöhnen, – was sind sie alle gegen die unermeßlichen Trost –
Schätze dieser außen unscheinbaren, ja armen Nacht, die nach innen zu plötzlich offen steht,
wie ein Alle umfassendes und wärmendes Herz und die wirklich mit Schlägen ihres glockentönigen Herzens
antwortet auf unser Hinein-Horchen in den innersten Gewahrsam!

Rainer Maria Rilke