Mir geht es oft so, daß ich mich frage, ob die Erfüllung eigentlich etwas mit Wünschen zu tun hat. Ja, solang der Wunsch schwach ist, ist er wie eine Hälfte und braucht das Erfülltwerden wie eine zweite Hälfte, um etwas Selbständiges zu sein. Aber Wünsche können so wunderbar zu etwas Ganzem, Vollem, Heilem auswachsen, das sich gar nicht mehr ergänzen läßt, das nur noch aus sich heraus zunimmt und sich formt und füllt. Manchmal könnte man meinen, dies gerade wäre die Ursache der Größe und Intensität eines Lebens gewesen, daß es sich mit zu großen Wünschen einließ, die von innen wie ein Ressort Aktion auf Aktion, Wirkung nach Wirkung ins Leben hinaus trieben, die kaum mehr wußten, worauf sie ursprünglich gespannt waren, und nur noch elementar, wie starkes, fallendes Wasser sich in Handlung und Herzlichkeit, in unmittelbares Dasein, in frohen Mut umsetzten, je nachdem das Geschehen und die Gelegenheit sie einschaltete.

Rainer Maria Rilke