In dem vollen Künstlerleben taucht immer wieder die Sehnsucht nach dem wirklichen Leben, das das unerfüllbare Ideal bleibt, auf; und es fehlt oft genug der Wunsch, sich ganz der Kunst hinzugeben, mit immer frischer Kraft. Man fühlt sich eben als Droschkengaul, und man weiss, dass man sich immer vor denselben Wagen spannen muss und möchte doch so gern auf der Wiese leben, in der Sonne, am Fluss, auf dem Lande mit anderen ebenso freien und lebenstrotzenden Gäulen. Und vielleicht kommt daher die Herzkrankheit, was mich nicht wundern sollte. Man lehnt sich nicht auf, aber man resigniert auch nicht, man ist eben krank, es wird nicht von selbst vorübergehen und es giebt auch kein Heilmittel dagegen. Ich weiss eigentlich nicht, wer diesen Zustand »einen Anfall von Sterben und Unsterblichkeit« genannt hat.

Die Karre, die man zieht, muss Leuten nützlich sein, die man nicht kennt. Wenn wir an die neue Kunst und an die Künstler der Zukunft glauben, täuscht uns unsere Vorahnung nicht. Der gute Vater Corot sagte kurz vor seinem Tode: »Ich habe diese Nacht im Traum Landschaften mit rosafarbenen Himmeln gesehen.« Und sind nicht nun in den impressionistischen Landschaften rosa und sogar gelbe und grüne Himmel? Dies nur, um zu beweisen, dass man manches für die Zukunft vorahnt, was dann wirklich eintritt. Wir stehen nun aber noch nicht am Rande des Grabes und fühlen, dass die Kunst grösser und länger als unser Leben ist. Wir fühlen uns nicht sterben, aber wir fühlen uns gering und um ein Glied in der Künstlerkette zu sein, zahlen wir einen harten Preis der Jugend, der Gesundheit, der Freiheit, die wir nicht mehr geniessen, als der arme Droschkengaul, der die Leute, die den Frühling geniessen wollen, in die freie Natur hinauszieht. Jene Hoffnung Puvis de Chavannes’ soll und muss sich verwirklichen: es giebt eine Zukunftskunst und sie muss so schön und jung sein, dass, wenn wir ihr jetzt unsere eigene Jugend opfern, wir an Lebensfreude und Frieden gewinnen müssen.

Vincent van Gogh an seinen Bruder Theo