Zwei Herzen haben sich gefunden
– die Menschen wollen’s nicht verstehn –
und die sich innig treu verbunden,
sie sollen auseinander gehn!
Doch mächtig einen sie die Triebe,
man trennt sie, ‘s ist des Schicksals Lauf,
doch in den Herzen glüht die Liebe
in Sehnsucht um so mächtger auf.
Er ist so bleich – sie sehn’s mit Bangen –
und nicht zu ändern ist sein Sinn,
es schwanden doch von ihren Wangen
die Rosen auch schon längst dahin!
Und eines Morgens trug man beide
– die Menschen wollen’s nicht verstehn –
zur Ruhe nach dem Erdenleide –
dorthin, wo still die Kreuze stehn!
Dort ruhen selig sie im Frieden
des leeren Lebens matt und müd –
– geliebt, gehofft, getrennt, geschieden –
das ist das alte, alte Lied!

Rainer Maria Rilke