Nachthimmel und Sternenfall pt. III
Da schwang die Schaukel durch den Schmerz -, doch siehe, der Schatten wars des Baums, an dem sie hängt. Ob ich nun vorwärtsschwinge oder fliehe, vom Schwunge in den Gegenschwung gedrängt, das alles ist noch nicht einmal der Baum. Mag ich nun steiler schwingen oder schräger, ich fühle nur die Schaukel; meinen Träger gewahr ich kaum. So laß uns herrlich einen Baum vermuten, der sich aus Riesenwurzeln aufwärtsstammt, durch den unendlich Wind und Vögel fluten… weiterlesen
Nachthimmel und Sternenfall pt. II
Nicht um-stoßen, was steht! Aber das Stehende stehender, aber das Wehende wehender zuzugeben, – gedreht zu der Mitte des Schauenden, der im Schauen preist, daß es sich am Vertrauenden jener Schwere entreißt, drin die Dinge, verlorener und gebundener, fliehn -, bis sie, durch uns, geborener, sich in die Spannung beziehn. Rainer Maria Rilke… weiterlesen
Nachthimmel und Sternenfall pt. I
Der Himmel, groß, voll herrlicher Verhaltung, ein Vorrat Raum, ein Übermaß von Welt. Und wir, zu ferne für die Angestaltung, zu nahe für die Abkehr hingestellt. Da fällt ein Stern! Und unser Wunsch an ihn, bestürzten Aufblicks, dringend angeschlossen: Was ist begonnen, und was ist verflossen? Was ist verschuldet? Und was ist verziehn? Rainer Maria Rilke… weiterlesen
Morgens auf meinem Schreibtisch
Die einzige Welt, welche jeder wirklich kennt und von der er weiß, trägt er in sich, als seine Vorstellung, und ist daher das Zentrum derselben. Deshalb eben ist jeder sich Alles in Allem; er findet sich als den Inhaber der Realität und kann ihm nichts wichtiger sein, als er selbst. Arthur Schopenhauer… weiterlesen
Sonnenschein
Als schritte ich auf Wolken, treib‘ ich hin … Die Augen halb geschlossen … seltsam müde Und an den Sonnenstrahl, der mich berührt … Leise, ganz leise meine Wange streift, Möcht‘ ich mich lehnen … und in seiner Goldspur Verdämmern lassen meiner Seele Leben … Hermann Conradi… weiterlesen
Dunkle Wolken über mir
Ist das Leben vielleicht nur ein Verbrennen, ein Ausglühen, ein Wegzehren der Empfänglichkeit für Schmerz und Lust? Ist alles, was als ruhiges Element, als Erde und Stein, uns umgibt, schon lebendig gewesen? Werden auch wir Erde und Stein und ist die Geschichte zu Ende, wenn alles ruht und schweigt? Friedrich Hebbel… weiterlesen
… immer noch Regen
Der Regen fällt. In den Tropfentanz Starr ich hinaus, versunken ganz In allerlei trübe Gedanken. Mir ist, Als hätt‘ es geregnet zu jeder Frist, Und alles, so lange ich denken kann, Trüb, grau und nass in einander rann, Als hätte es nie eine Sonne gegeben, Als wäre nur immer das ganze Leben, Die Jahre, die Tage, die Stunden all, Ein trüber, hastiger Tropfenfall. Gustav Falke… weiterlesen
Nach dem Regen
Und wieder rauscht mein tiefes Leben lauter, als ob es jetzt in breitern Ufern ginge. Immer verwandter werden mir die Dinge und alle Bilder immer angeschauter. Dem Namenlosen fühl ich mich vertrauter: Mit meinen Sinnen, wie mit Vögeln, reiche ich in die windigen Himmel aus der Eiche, und in den abgebrochnen Tag der Teiche sinkt, wie auf Fischen stehend, mein Gefühl. Rainer Maria Rilke… weiterlesen
Was ist das Leben?
Die Wanderschaft eines Lahmen und Kranken, welcher mit einer schweren Last auf dem Rücken die steilsten Berge und unwegsamsten Gebiete bei Schnee und Eis, Regen und Wind, unter brennender Sonne bei Tag und Nacht überquert, ohne sich jemals Ruhe zu gönnen, und viele Tagereisen zurücklegt, um schließlich an einen Abgrund, an eine Schlucht zu gelangen und dort unweigerlich in die Tiefe zu stürzen. Giacomo Leopardi (1, 535), Das Gedankenbuch… weiterlesen
Jeder Mensch ist im Grunde gescheiter wie der andere
Jeder Mensch ist im Grunde gescheiter wie der andere, nur will dies keiner von ihnen glauben. Die Ecke des einen greift in die Fuge des andern, und so entsteht die seltsame Maschinerie, die wir das menschliche Leben nennen. Verachtung und Verehrung, Stolz und Eitelkeit, Demut und Eigensinn: alles eine blinde, von Notwendigkeiten umgetriebene Mühle, deren Gesause in der Ferne wie artikulierte Töne klingt. Vielleicht ist es keinem Menschen gegeben, alles aus dem wahren Standpunkte zu… weiterlesen