Die Stunde, der ich sehnsuchtsvoll
Den ganzen Tag entgegen blickte,
Und die zur Göttin mich entzückte,
Wenn mir ihr letzter Schlag erscholl.
Die schlägt nun nicht für mich und Ihn
Zum Wiedersehn das Losungszeichen,
Und matt, wie welke Kranke, schleichen
Die traurigen Minuten hin.
Doch selbst in dieser Einsamkeit,
Dem Liebesgram so angemessen,
Sey [hättest du mich auch vergessen]
Dies Liedchen dennoch dir geweiht.
So fern du meinen Blicken bist,
So nahe bist du diesem Herzen,
So gegenwärtig, daß der Schmerzen
Der Trennung nur ein Traum noch ist.
Du holde Göttin, Phantasie,
Trägt mich auf ihrem raschen Flügel
Schnell über Wald und Thal und Hügel,
Und so – vermiß ich dich fast nie.
Was mir des Schicksals Macht entreißt,
Kann mein Gedankenflug ereilen.
Was ist ein Zwischenraum von Meilen?
Kaum eine Spanne für den Geist.
Gleich deinem Schatten folgt er dir
Zum Freudenfeste, zur niedern Hütte,
Und in der Assembleen Mitte,
Und spricht ein leises Wort von mir.
Selbst dann, wann du dich ungesehn
In deinem Stübchen einsam glaubest,
Und dir durch Wahn die Ruhe raubest,
Umgiebt er dich mit leisem Wehn.
Du wähnst dann, das Verdienst sey dein,
Und hältst es für Erinnerungen.
Das magst du! wenn’s ihm nur gelungen,
Mein Angedenken zu erneun.

Gabriele von Baumberg