Donnerstag, 9. November 1989, 19.17 Uhr – ich sitze wie immer allein in meiner winzigen Studentenbude in Mittweida und der kleine Schwarzweiß-Fernseher läuft: Gegen Ende der „Heute“-Sendung im ZDF verliest der Sprecher eine Meldung, die ihm kurz zuvor gereicht worden ist: „Noch einmal zurück nach Ost-Berlin. SED-Politbüromitglied Günter Schabowski hat vor wenigen Minuten mitgeteilt, dass von sofort an DDR-Bürger direkt über alle Grenzübergänge zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland ausreisen dürfen. Mit dieser heutigen… weiterlesen

…Aber die Logik, die Gerechtigkeit und alle diese scheinbar gesetzmäßigen und tadellosen Dinge sind Erfindungen der Menschen und kommen in der Natur nicht vor. Hermann Hesse… weiterlesen

Wohl hatte ich gemeint zu wissen, was Liebe sei, und war mir damit weise vorgekommen, hatte getröstet aus neuen Augen in die Welt geschaut und einen näheren und tieferen Anteil an allem Leben gefühlt. Nun war es anders, nun war es nicht mehr Klarheit, Trost und Heiterkeit, sondern Sturm und Flamme, nun warf mein Herz sich jauchzend und zitternd weg, wollte nichts mehr vom Leben wissen und nur in seiner Flamme verbrennen. Wenn mich jetzt… weiterlesen

Wir gehen dem Tod entgegen, ohne zu wissen, wann unsere Zeit gekommen ist. Deshalb sollten wir bewußt leben, für jede Minute dankbar sein, aber auch dem Tod dankbar sein, denn er bringt uns dazu, über die Bedeutung einer Entscheidung nachzudenken, ob wir sie nun treffen oder nicht. Mit anderen Worten, es gilt, alles zu unterlassen, was uns zu lebenden Toten macht, und alles auf die Dinge zu setzten, von denen wir immer träumten, und alles… weiterlesen

Viele sagen, sie “lieben die Natur”. Das heißt, sie sind nicht abgeneigt, je und je ihre dargebotenen Reize sich gefallen zu lassen. Sie gehen hinaus und freuen sich über die Schönheit der Erde, zertreten die Wiesen und reißen schließlich eine Menge Blumen und Zweige ab, um sie bald wieder wegzuwerfen oder daheim verwelken zu lassen. So lieben sie die Natur. Sie erinnern sich dieser Liebe am Sonntag, wenn schönes Wetter ist, und sie sind dann… weiterlesen

Schon ist mein Blick am Hügel, dem besonnten, dem Wege, den ich kaum begann, voran. So faßt uns das, was wir nicht fassen konnten, voller Erscheinung, aus der Ferne an — und wandelt uns, auch wenn wirs nicht erreichen, in jenes, das wir, kaum es ahnend, sind; ein Zeichen weht, erwidernd unserm Zeichen … Wir aber spüren nur den Gegenwind. Rainer Maria Rilke… weiterlesen

In einem Buche blätternd, fand Ich eine Rose welk, zerdrückt, Und weiß auch nicht mehr, wessen Hand sie einst für mich gepflückt. Lenau, Nikolaus… weiterlesen

I Die dürren Äste übergittern des Himmels abendblasse Scheiben; und über Grüfte, reich mit Flittern geschmückt, geht Wehmut, und es zittern die Lichter durch das Blättertreiben. Im müden Blau, im regungslosen, schwimmt fern der Mond. Die Lebensbäume., die seine blanke Stirne kosen, sind schwarz. Der Duft von welken Rosen schleicht her wie Geister toter Träume. II Ferner Lärm vom Wagendamm. – Hier keimt Friede und Vergessen, zwischen zweien Grabzypressen hangt der Mond wie ein Tam-Tam.… weiterlesen

Komm großer schwarzer Vogel, komm jetzt! Schau, das Fenster ist weit offen, Schau, ich hab’ Dir Zucker aufs Fensterbrett g’straht. Komm großer schwarzer Vogel, komm zu mir! Spann’ Deine weiten, sanften Flügel aus und leg’s auf meine Fieberaugen! Bitte, hol’ mich weg von da! Und dann fliegen wir rauf, mitten in Himmel rein, in a neue Zeit, in a neue Welt. Und ich werd’ singen, ich werd’ lachen, ich werd’ “das gibt’s net”, schrei’n, weil… weiterlesen

Was wir besiegen, ist das Kleine, und der Erfolg selbst macht uns klein. Das Ewige und Ungemeine will nicht von uns gebogen sein. Das ist der Engel, der den Ringern des Alten Testaments erschien: wenn seiner Widersacher Sehnen im Kampfe sich metallen dehnen, fühlt er sie unter seinen Fingern wie Saiten tiefer Melodien. Wen dieser Engel überwand, welcher so oft auf Kampf verzichtet, der geht gerecht und aufgerichtet und groß aus jener harten Hand, die… weiterlesen