
Die ukrainische Armee steht im äußersten Osten ihrer Front stark unter Druck. Russische Truppen beschossenweiter die Großstadt Sjewjerodonezk im Gebiet Luhansk, wie der ukrainische Generalstab in seinem abendlichen Bericht mitteilte. Der Angriff auf die Stadt und ihren Vorort Boriwske sei aber nicht erfolgreich. Die Militärangaben waren nicht unabhängig überprüfbar. Bei Angriffen durch die russische Armee sind in der Region Charkiw im Osten der Ukraine nach örtlichen Behördenangaben mindestens sieben Menschen getötet worden. Weitere 17 Menschen seien verletzt worden, sagte der regionale ukrainische Befehlshaber Oleg Sinegubow einem Bericht der Internetzeitung Ukrajinska Prawda zufolge. Via Telegram rief Sinegubow die Bewohner auf, in Schutzräumen zu bleiben, nicht ohne Not auf die Straße zu gehen und bei Luftalarm die Schutzbunker aufzusuchen. In der Region gebe es schwere Gefechte, sagte er. Auch der Feind müsse zahlreiche Verluste hinnehmen. Überprüfbar waren diese Angaben von unabhängiger Seite zunächst nicht.
Um den Donbass im Osten der Ukraine wird nach Angaben aus Kiew immer erbitterter gekämpft. „Der Kampf hat seine maximale Intensität erreicht“, sagte Vize-Verteidigungsministerin Ganna Malyar am Donnerstag. „Die feindlichen Truppen stürmen die Positionen unserer Truppen gleichzeitig aus mehreren Richtungen.“ Angesichts dieses Vorrückens der russischen Armee hätten die ukrainischen Soldaten „eine extrem schwierige und lange Kampfphase“ vor sich.
„Die Lage bleibt schwierig, und es gibt Anzeichen für eine weitere Verschärfung“, sagte Malyar bei einer Pressekonferenz. „Wir müssen begreifen, dass das ein Krieg ist, und dass, leider, Verluste auf unserer Seite unvermeidlich sind.“ Ein ukrainischer General räumt ein, dass Russland in der Region Luhansk überlegen ist. „Russland ist im Vorteil, aber wir tun alles, was wir können“, sagt General Olexij Gromow. Die Ukraine habe zudem beobachtet, dass Russland Iskander-K-Raketensysteme in die Region Brest im Westen von Belarus verlege. Dies könnte neue Angriffe auf den Westen der Ukraine bedeuten.
Selenskyj: Russische Truppen sind Verteidigern in Ostukraine „deutlich überlegen“
Angesichts der auf die ostukrainische Stadt Sewerodonezk vorrückenden russischen Truppen hat Präsident Wolodymyr Selenskyj die uneingeschränkte Unterstützung durch den Westen besonders mit schweren Waffen gefordert. Russlands Streitkräfte seien in dem Gebiet zahlenmäßig und auch waffentechnisch „deutlich überlegen“, doch noch hielten die eigenen Truppen der „äußerst gewalttätigen Offensive“ stand, sagte Selenskyj. Vorschläge, Kiew solle territoriale Zugeständnisse machen, wies er scharf zurück. Moskau hatte die Offensive rund um Sewerodonezk in den vergangenen Tagen massiv ausgeweitet. Die Industriestadt und das benachbarte Lyssytschansk sind die letzten Orte in der Region Luhansk, in denen die ukrainische Armee noch Widerstand gegen die russischen Truppen leistet. Inzwischen sind die russischen Truppen bereits in die Vororte von Sewerodonezk vorgedrungen.
Die ukrainischen Kämpfer, die kürzlich in Mariupol in russische Kriegsgefangenschaft geraten sind, werden weiter im von prorussischen Separatisten kontrollierten Donbass festgehalten. „Alle werden auf dem Gebiet der Donezker Volksrepublik festgehalten“, sagte Separatistenführer Denis Puschilin der Agentur Interfax.
Die Ukraine hofft weiter darauf, dass die Männer und Frauen im Zuge eines Gefangenenaustauschs freikommen können – auch, weil die Separatisten in der selbst ernannten Volksrepublik Donzek bereits vor Jahren die Todesstrafe eingeführt haben. Moskau hat bezüglich eines möglichen Austauschs bislang aber noch keine Entscheidung verkündet.
Russische Nationalgardisten verweigern Kriegseinsatz – Jobs weg
Im russischen Nordkaukasus haben 115 Nationalgardisten einen Einsatz im Krieg gegen die Ukraine verweigert. Dies trug ihnen eine Kündigung ein, die von einem Militärgericht nach Angaben von diesem Donnerstag für rechtmäßig erklärt wurde. Das meldete die Agentur Interfax aus Naltschik, der Hauptstadt der Teilrepublik Kabardino-Balkarien. Den Angaben nach hatten die Nationalgardisten sich geweigert, Befehlen zu gehorchen, und waren in ihre Kasernen zurückgekehrt. Als darauf ihre Verträge gekündigt wurden, klagten sie, verloren den Prozess aber. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Auch im südrussischen Gebiet Krasnodar haben nach Medienberichten 15 Angehörige der Polizeieinheit OMON ihre Jobs verloren, weil sie sich geweigert hatten, im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt zu werden.
Moskau: Getreide gegen Sanktions-Aus
Russland hat sich zu Maßnahmen gegen die Nahrungsmittelkrise bereiterklärt, falls der Westen seine Sanktionen gegen Moskau aufhebt. Präsident Wladimir Putin habe in einem Telefonat mit dem italienischen Regierungschef Mario Draghi betont, dass Russland bereit sei, „durch den Export von Getreide und Düngemitteln einen wesentlichen Beitrag zur Überwindung der Nahrungsmittelkrise zu leisten, sofern die politisch motivierten Beschränkungen des Westens aufgehoben werden“, teilte der Kreml mit. Putin habe in dem Gespräch die Anschuldigungen des Westens, wonach Russland seit seiner Offensive in der Ukraine die ukrainischen Getreideexporte blockiere, als „unbegründet“ zurückgewiesen. Der Ministerpräsident in Rom berichtete, dass er eine grundsätzliche Bereitschaft bei Putin erkannt habe, eine Lösung in der Lebensmittelkrise zu finden. Nun werde er mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sprechen, kündigte Draghi am Abend an. Auf die Frage, ob er im Telefonat mit Putin einen Hoffnungsschimmer für generelle Friedensgespräche bemerkt habe, sagte Draghi: „Nein.“
ür die Probleme mit Getreide-Exporten aus der Ukraine ist nach russischer Darstellung der Westen verantwortlich, indem er Sanktionen gegen Russland verhängt hat.
Vorwürfe, dass Russland die Ausfuhren blockiere, weise die Regierung in Moskau kategorisch zurück, sagt Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow.
„Im Gegenteil, wir beschuldigen westliche Länder, Maßnahmen ergriffen zu haben, die dazu geführt haben.“ Unter anderem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Russland beschuldigt, Lebensmittelexporte als Waffe einzusetzen. Die Ukraine ist ein wichtiger Getreidelieferant unter anderem für arme Länder in Afrika.
Nato-Streit: Macron ruft Türkei zum Einlenken auf
Emmanuel Macron hat die Türkei im Streit um den Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands zum Einlenken aufgefordert. In einem Telefonat mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan habe der französische Präsident dazu aufgerufen, „die souveräne Entscheidung“ der beiden Länder, der Nato beizutreten, „zu respektieren“, teilte der Elysée-Palast mit. Er habe den Wunsch geäußert, dass die Gespräche fortgesetzt würden, „um eine schnelle Lösung zu finden“.
Quelle: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ukraine-russland-konflikt-blog-100.html