The Sarmat intercontinental ballistic missile is launched during a test at Plesetsk cosmodrome in Arkhangelsk region, Russia, in this still image taken from a video released on April 20, 2022. Russian Defence Ministry/via REUTERS

In der Ostukraine bringt der russische Großangriff neues Leid. Aus dem Stahlwerk in Mariupol, wo immer noch ukrainische Soldaten ausharren, kam ein dramatischer Hilferuf.
In einem dramatischen Appell hat der ukrainische Kommandeur der verbliebenen Marineinfanteristen in der schwer umkämpften Hafenstadt Mariupol um eine Evakuierung in einen Drittstaat gebeten. „Der Feind ist uns 10 zu 1 überlegen“, sagte Serhij Wolyna, Kommandeur der ukrainischen 36. Marineinfanteriebrigade, in einer am frühen Mittwochmorgen auf Facebook veröffentlichten einminütigen Videobotschaft. „Wir appellieren an alle führenden Politiker der Welt, uns zu helfen.“
Russland habe Vorteile in der Luft, bei der Artillerie, den Bodentruppen, bei Ausrüstung und Panzern, sagt Wolyna weiter. Die ukrainische Seite verteidige nur ein Objekt, das Stahlwerk Asowstal, wo sich außer Militärs noch Zivilisten befänden. Wolyna bittet, das „Verfahren der Extraktion“ anzuwenden und alle – das Militär der Mariupol-Garnison, mehr als 500 verwundete Kämpfer und Hunderte Zivilisten – auf dem Territorium eines Drittlandes in Sicherheit zu bringen. „Das ist unser Appell an die Welt“, sagte Wolyna. „Das könnte der letzte Appell unseres Lebens sein.“
Zum TV-Sender CNN sagte Wolyna, eine Evakuierung könne etwa per Schiff oder per Helikopter erfolgen. Auch eine internationale humanitäre Mission sei eine Möglichkeit. Zur Frage, wie viele ukrainische Militärs sich auf dem Gelände des Stahlwerks aufhielten, machte er keine Angaben.

Die russischen Invasoren haben nach Angaben des ukrainischen Generalstabs ihre Angriffe im Osten des Landes fortgesetzt. Die Angreifer suchten nach Schwachstellen in der ukrainischen Verteidigung im Donbass, teilte der Generalstab mit. Aktuelles Hauptziel Russlands sei jedoch das Stahlwerk in Mariupol am Asowschen Meer, wo sich die letzten ukrainischen Verteidiger verschanzt hätten. Nach Einschätzung des US-Verteidigungsministeriums hat Russland am Dienstag zusätzliche Kampfeinheiten in die Ukraine geschickt. Insgesamt seien es mittlerweile 78 im Süden und Osten des Landes. Da vor dem Krieg jede dieser taktischen Bataillonsgruppen aus 700 bis 800 Mann bestanden habe, ergebe das theoretisch etwa 55.000 bis 62.000 Mann. Die aktuelle Kampfstärke lasse sich aber nur schwer einschätzen. Ein europäisches Regierungsmitglied erklärte, Russland habe zusätzlich 10.000 bis 20.000 ausländische Kämpfer im Donbass stehen. Bei ihnen handle es sich Mitglieder der russischen Söldnertruppe Wagner und Kämpfer aus Syrien und Libyen.

Fluchtkorridor für Zivilisten aus Mariupol laut Ukraine gescheitert
Die Einrichtung eines Fluchtkorridors für Zivilisten aus der belagerten ukrainischen Stadt Mariupol ist nach Angaben Kiews gescheitert. „Leider hat der humanitäre Korridor in Mariupol heute nicht wie geplant funktioniert“, erklärte die stellvertretende Regierungschefin Iryna Wereschtschuk. Die russischen Truppen hätten gegen die vereinbarte Feuerpause verstoßen und Busse für die Evakuierungen blockiert. Zuvor hatte die ukrainische Regierung am Mittwoch mitgeteilt, sie habe mit Russland eine „vorläufige Einigung“ auf einen Fluchtkorridor für Frauen, Kinder und alte Menschen erzielt. Die Zivilisten sollten demnach in die Stadt Saporischschja gebracht werden.

ZDF-Korrespondent in Moskau: „Ganz leiser ziviler Ungehorsam“
„Wir beobachten tatsächlich so etwas wie ganz leisen zivilen Ungehorsam“, sagt ZDF-Korrespondent Axel Storm in Moskau. In der ganzen Stadt sehe man immer wieder grüne Bändchen, etwa an Ampeln oder an Verkehrsschildern. „Das ist ein Zeichen des Protests“, betont Storm. Denn Grün kommt dabei heraus, wenn man die ukrainischen Nationalfarben Gelb und Blau mischt.

Pentagon: Ukraine hat jetzt mehr als 20 zusätzliche Kampfflugzeuge
Die ukrainische Luftwaffe hat nach Darstellung des US-Verteidigungsministeriums für den Kampf gegen Russland inzwischen mehr einsatzfähige Kampfflugzeuge als noch vor wenigen Wochen. Die Ukraine habe dank der Koordination der Vereinigten Staaten „genügend Ersatzteile und zusätzliche Ausrüstung bekommen“, um einige ihrer zuvor stillgelegten Kampfflugzeuge wieder in Betrieb zu nehmen, sagte der Sprecher des Pentagons, John Kirby. Mit Ersatzteilen aus den USA und von Verbündeten habe die ukrainische Luftwaffe ihre Flotte um „eine ziemlich Zahl“ erhöhen können, sagte Kirby weiter – ohne dabei eine genaue Zahl zu nennen. Ein ranghoher Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums erklärte dazu: „Sie haben mehr als 20 zusätzliche Flugzeuge zur Verfügung als noch vor drei Wochen.“ Der Ukraine seien bislang keine zusätzlichen Kampfflugzeuge überlassen worden, aber die nötigen Ersatzteile hätte es der Luftwaffe ermöglicht, ihre einsatzfähige Flotte zu erweitern.
Norwegen liefert der Ukraine weitere Verteidigungswaffen, darunter knapp 100 Flugabwehrraketen vom Typ „Mistral“ aus den Beständen des norwegischen Militärs. Es sei ein Luftverteidigungssystem, das die norwegischen Streitkräfte ersetzen wollten, womit die Waffenlieferung an die Ukraine keine größeren Auswirkungen auf die eigenen Einsatzfähigkeiten habe, teilte das Verteidigungsministerium mit. Die Waffen sind demnach bereits außer Landes gebracht worden.

Bereits in den vergangenen Wochen hatte sich das skandinavische Land entschlossen, der Ukraine unter anderem 4.000 Panzerabwehrraketen und Schutzausrüstung zu schicken. Die frühere Außenministerin Ine Eriksen Søreide von der jetzigen Oppositionspartei Høyre sagte dem norwegischen Rundfunk am Morgen, die Regierung habe die Unterstützung ihrer Partei, wenn sie auch schwerere Verteidigungswaffen an das von Russland angegriffene Land liefern wolle.

Westliche Minister verlassen G20-Treffen aus Protest gegen Russland
Mit einer Boykott-Aktion haben westliche Finanzminister und Zentralbankchefs bei einem G20-Treffen in Washington gegen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine protestiert. US-Finanzministerin Janet Yellen und mehrere ihrer Kollegen etwa aus Kanada und Großbritannien verließen den Sitzungssaal, als der russische Vertreter das Wort ergriff, wie aus informierten Kreisen verlautete. „Einige Finanzminister und Zentralbankchefs, die virtuell teilnahmen, haben ihre Kameras ausgeschaltet, als Russland sprach.“ Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) verließ den Saal während der Aktion seiner Kollegen nicht. Aus informierten Kreisen verlautete aber, er habe den russischen Ausführungen „entschieden widersprochen“.

UN-Generalsekretär will nach Kiew und Moskau reisen
UN-Generalsekretär António Guterres verstärkt seine diplomatischen Versuche, um eine Waffenruhe im Ukraine-Krieg zu erreichen. Guterres habe Briefe an die UN-Vertretungen Russlands und der Ukraine geschickt. „In diesen Briefen bat der Generalsekretär Präsident Putin, ihn in Moskau zu empfangen, und Präsident Wolodymyr Selenskyj, ihn in Kiew zu empfangen“, sagte Sprecher Stephane Dujarric in New York. Es müssten „dringende Schritte“ zur Herstellung von Frieden in der Ukraine herbeigeführt werden.

Russland testet Interkontinental-Rakete
Russland hat eine neue Interkontinental-Rakete getestet und dies mit einer ausdrücklichen Warnung verbunden. „Diese wirklich einzigartige Waffe (…) wird denjenigen zu denken geben, die in der Erregung einer rasend gewordenen Rhetorik versuchen, unser Land zu bedrohen“, sagte Präsident Wladimir Putin, der den Test über Fernsehen mitverfolgte. Die USA teilten mit, Russland habe ordnungsgemäß den Abschuss der Rakete angekündigt. Der Test werde als Routine und nicht als eine Bedrohung der USA gewertet. Am ersten Tag der Invasion der Ukraine hatte Putin in einer Ansprache auf die russischen Nuklearstreitkräfte verwiesen und den Westen gewarnt, jeder Versuch, sich Russland in den Weg zu stellen, werde zu Konsequenzen wie nie zuvor in der Geschichte führen.

Quelle: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ukraine-russland-konflikt-blog-100.html