Ein ukrainischer Soldat inspiziert einen zerstörten russischen Panzer in der Stadt Trostjanez im Nordosten der Ukraine
Quelle: AFP/FADEL SENNA

Russland beginnt nach US-Angaben damit, weniger als 20 Prozent der Truppen aus dem Raum Kiew zu verlegen. Einige Soldaten hätten das Ziel Belarus, keiner kehre in die Heimat zurück, teilt das US-Verteidigungsministerium mit. Man gehe davon aus, dass Russland die Truppen neu ausrüsten und versorgen und sie dann wieder zurück in die Ukraine schicken werde, sagt Ministeriumssprecher John Kirby.

Kiew und Tschernihiw: Moskau spricht von „Umgruppierung“ seiner Truppen
Russlands Verteidigungsministerium hat eine „Umgruppierung“ seiner Truppen bei den ukrainischen Städten Kiew und Tschernihiw bestätigt. Russlands Soldaten hätten dort ihre Hauptaufgaben erfüllt. Das Ziel der Truppenverlegung sei „vor allem der Abschluss der Operation zur vollständigen Befreiung des Donbass“. Nach Gesprächen mit der Ukraine hatte Russland am Dienstag zugesagt, seine Kampfhandlungen bei Kiew und Tschernihiw deutlich zurückzufahren. Der ukrainische Generalstab geht davon aus, dass der „sogenannte Truppenabzug“ kaschieren solle, dass der russische Plan zur Einkesselung Kiews aufgegeben werde.

Trotz der Ankündigung Russlands, seine Angriffe rund um Kiew zu reduzieren, gehen die Kämpfe dort offenbar weiter, das teilte der Leiter der Militärverwaltung von Kiew, Olexandr Pawljuk, mit. Auch im Osten des Landes soll es schweren russischen Artilleriebeschuss gegeben haben. Durch den russischen Raketentreffer auf die Gebietsverwaltung im südukrainischen Mykolajiw am Dienstag sind ukrainischen Angaben zufolge mindestens 15 Menschen getötet worden. Entgegen der angekündigten Reduktion der militärischen Aktivitäten in der Nordukraine ist die Stadt Tschernihiw nach ukrainischen Angaben die Nacht über weiterhin von russischen Streitkräften angegriffen worden. „Tschernihiw wurde die ganze Nacht bombardiert“, teilte Gouverneur Wjatscheslaw Tschaus im Onlinedienst Telegram mit. Die Angriffe erfolgten demnach mit Artillerie und Flugzeugen. In Tschernihiw sei zivile Infrastruktur zerstört worden und die Stadt sei noch immer ohne Wasser und Strom, erklärte Tschaus. Die russische Armee habe auch die nahegelegene Stadt Nischyn angegriffen. Tschernihiw und die gleichnamige Region liegen nordöstlich der Hauptstadt Kiew.

Der Gouverneur der Region Luhansk im Osten der Ukraine berichtet von schwerem Artilleriebeschuss von Wohngebieten in der Ortschaft Lysytschansk am Morgen. „Einige Hochhäuser wurden beschädigt“, schrieb Serhij Gaidai auf Telegram. Man sei dabei, Informationen über Opfer zu bestätigen. „Viele Gebäude sind eingestürzt. Rettungskräfte versuchen, die noch Lebenden zu retten.“

Die von Georgien abtrünnige Konfliktregion Südossetien will über einen möglichen Beitritt zu Russland abstimmen. Eine Volksbefragung sei für einen solchen Schritt grundsätzlich notwendig, sagte der Machthaber der Region im Südkaukasus, Anatoli Bibilow, am Mittwoch im russischen Staatsfernsehen. Südossetiens Parlamentschef Alan Tadtajew sagte der russischen Staatsagentur Tass, dass das Referendum bereits „in nächster Zeit“ abgehalten werden solle. Russland hatte Südossetien 2008 nach einem Krieg gegen Georgien – ebenso wie das Gebiet Abchasien – als unabhängigen Staat anerkannt und Tausende Soldaten in der Region stationiert. Die Vertreter der Krimtataren haben die Regierung in Kiew aufgefordert, bei den Verhandlungen mit Moskau auf eine Rückgabe der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim an die Ukraine zu bestehen. Die Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine in ihren international anerkannten Grenzen“ – darunter die „autonome Republik“ Krim – müsse eine „zwingende Voraussetzung“ in den Gesprächen sein, erklärte der Vorsitzende des Medschlis des Krimtatarischen Volkes, Refat Tschubarow, am Mittwoch. Die Krimtataren stellten vor der russischen Krim-Annexion 2014 rund zwölf bis 15 Prozent der dortigen Bevölkerung. Das von Moskau organisierte und von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannte Referendum zum Anschluss der Krim an Russland im selben Jahr wurde von den meisten Krimataren boykottiert.

Kriegsverlauf: Putin wurde offenbar von eigenen Beratern getäuscht
Der russische Präsident Wladimir Putin wird nach Auffassung von US-Geheimdiensten von seinen Beratern über den Stand des Angriffskriegs gegen die Ukraine in die Irre geführt. Daher gebe es nun anhaltende Spannungen zwischen dem Kremlchef und ranghohen russischen Militärs, sagte eine amerikanische Gewährsperson. Wie die US-Geheimdienste zu dieser Einschätzung gelangt sein wollen, verriet die Quelle nicht. US-Geheimdienstler gehen davon aus, dass Putin nicht wusste, dass das russische Militär Rekruten in der Ukraine eingesetzt und es unter diesen Verluste gegeben habe. Dem Präsidenten sei sich auch nicht bewusst, wie stark die russische Wirtschaft durch die ökonomischen Sanktionen der USA und deren Verbündeten Schaden genommen habe.

UNHCR: Mehr als vier Millionen Menschen aus der Ukraine geflüchtet
Die Zahl der aus der Ukraine geflüchteten Menschen hat die Marke von vier Millionen überschritten. Seit dem Beginn der russischen Invasion am 24. Februar haben 4,02 Millionen Menschen das Land verlassen, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR heute meldete. Zusätzlich sind nach Schätzungen der Vereinten Nationen rund 6,5 Millionen Menschen innerhalb der Ukraine auf der Flucht. Die weitaus größte Zahl der ins Ausland Geflüchteten (2,34 Millionen) sind bislang in Polen gezählt worden, gefolgt von Rumänien (609.000). In Moldau, Ungarn und der Slowakei sind ebenfalls Hunderttausende angekommen. In Deutschland wurden mehr als 280.000 Ankommende gezählt. Da es keine festen Grenzkontrollen gibt und Menschen mit ukrainischem Pass für 90 Tage visumsfrei einreisen können, dürfte die Zahl der Geflüchteten aus der Ukraine in Deutschland insgesamt tatsächlich deutlich höher liegen.

Quelle: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ukraine-russland-konflikt-blog-100.html