Smoke rises after shelling, amid Russia’s invasion of Ukraine, near the town of Soledar, Donetsk region, Ukraine June 8, 2022. REUTERS/Gleb Garanich

In Sjewjerodonezk haben sich ukrainische Soldaten am Donnerstag weiter in erbitterten Kämpfen gegen eine russische Übermacht zur Wehr gesetzt. Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete die Schlacht um die Stadt im Osten des Landes mit einst mehr als 100.000 Einwohnern als die vielleicht schwerste des Krieges. In Bunkern unter der Chemiefabrik Azot haben sich ukrainische Soldaten und Zivilisten in Sicherheit gebracht. Das erinnert fatal an das Asow-Stahlwerk in Mariupol, wo die letzten ukrainischen Verteidiger nach wochenlangen Abwehrkämpfen und heftigen russischen Bombardierungen am 21. Mai in russische Gefangenschaft gegangen waren. Der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Hajdaj, räumte nach schweren Kämpfen zwar ein, die russische Armee kontrolliere mehr als 90 Prozent des Luhansker Gebiets und auch den größten Teil von Sjewjerodonezk. Er bestritt, dass die Lage schon so wie zuletzt in Mariupol sei. „Stand heute besteht keine Gefahr einer Einkesselung“, meinte Hajdaj. Die Angaben sind nicht unabhängig zu prüfen.

Ukrainischer Verteidigungsminister: Lage an der Front ist schwierig
Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow hat die Lage im Krieg gegen Russland als hart bezeichnet. „Die Situation an der Front ist schwierig. Jeden Tag werden bis zu 100 unserer Soldaten getötet und bis zu 500 verwundet“, schrieb Resnikow am Donnerstag in einem Beitrag bei Facebook.
Russland erleide zwar große Verluste. „Aber es gibt immer noch Kräfte, die in einigen Teilen der Front vorrücken“, betonte er. Die Ukraine brauche dringend schwere Waffen. „Wir haben bewiesen, dass wir im Gegensatz zu vielen anderen den Kreml nicht fürchten. Aber als Land können wir es uns nicht leisten, unsere besten Söhne und Töchter zu verlieren.“ Das ukrainische Verteidigungsministerium berichtet von einer Gegenoffensive in der südukrainischen Region Cherson. Dabei sei einiges an Territorium zurückerobert worden, teilt das Ministerium in Kiew mit.
Russland habe Soldaten und Material verloren. Bei ihrem Rückzug würden die russischen Truppen Gelände verminen und Barrikaden errichten. Einzelheiten wurden nicht genannt. Berichte aus dem Kampfgebiet können unabhängig nicht überprüft werden.

Selenskyj verhängt Sanktionen gegen Putin
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Sanktionen gegen den russischen Staatschef Wladimir Putin und sämtliche Mitglieder der russischen Regierung beschlossen. Selenskyj unterzeichnete ein Dekret, das an diesem Donnerstag in Kraft trat, wie aus einer Kopie davon hervorgeht, die auf der Webseite der ukrainischen Präsidentschaft veröffentlicht wurde. Zudem bestrafte er 236 russische Universitäten und deren Leitungen. Der ukrainische Sicherheits- und Verteidigungsrat stimmte den Sanktionen zu. Damit wird den Betroffenen eine Einreise in die Ukraine verboten.

Kiew streicht Städtepartnerschaft mit Minsk
Weil Belarus den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine unterstützt, hat die ukrainische Hauptstadt Kiew der belarussischen Metropole Minsk die Städtepartnerschaft gekündigt. Das teilte Bürgermeister Vitali Klitschko mit. „Minsk kann man kaum noch eine Partnerstadt von Kiew nennen. Also hindert uns nichts daran, die Entscheidung zur Aufhebung des Status‘ für die Hauptstadt von Belarus zu treffen“, betonte er. Von Belarus aus flögen Raketen in ukrainische Städte und Dörfer, zudem seien auch von dort aus russische Truppen in die Ukraine einmarschiert.
Der Schritt kommt nach 25 Jahren – die Partnerschaft wurde im Juni 1997 beschlossen. Russland hat das verbündete Belarus im vergangenen Jahr bereits als Aufmarschgebiet gegen die Ukraine genutzt und seit dem 24. Februar auch von belarussischem Territorium aus angegriffen.

Todesurteile gegen Ausländer: Entsetzen und Kritik
Das Oberste Gericht der separatistischen Donezker Volksrepublik (DVR) hat drei ausländische Kämpfer in den Reihen der ukrainischen Streitkräfte als Söldner zum Tode verurteilt. Bei den Angeklagten handelt es sich um zwei Briten und einen Marokkaner.
Die drei Männer kündigten Berufung gegen das Urteil an, wie die russische Agentur Tass meldete. Das britische Außenministerium hatte zuvor erklärt, die Gefangenen würden für politische Ziele missbraucht. Es war das erste Todesurteil, das eine der drei Kriegsparteien in der Ukraine verhängt hat.
Die britische Außenministerin Liz Truss hat die verhängten Todesurteile für zwei Briten und einen Marokkaner als „Scheinurteil ohne jegliche Legitimität“ bezeichnet. Aus der Downing Street hieß es zudem, man sei tief besorgt und werde mit den ukrainischen Behörden weiter zusammenarbeiten, um auf die Freilassung von gefangen genommenen britischen Staatsbürgern, die an der Seite der Ukraine gekämpft hätten, hinzuarbeiten.
Auch das ukrainische Außenministerium kritisierte die Urteile scharf. Ausländer in der ukrainischen Armee seien reguläre Soldaten und müssten auch so behandelt werden, sagte Sprecher Oleh Nikolenko. Sie besäßen die Rechte von Kriegsgefangenen.

Wie Peter der Große: Putin will russische Erde „zurückholen“
Kremlchef Wladimir Putin hat den von ihm befohlenen Krieg gegen die Ukraine auf eine Ebene mit dem Großen Nordischen Krieg unter Russlands Zar Peter I. gestellt und von einer Rückholaktion russischer Erde gesprochen. Peter habe das Gebiet um die heutige Millionenstadt St. Petersburg nicht von den Schweden erobert, sondern zurückgewonnen. „Offenbar ist es auch unser Los: Zurückzuholen und zu stärken“, zog Putin laut der Nachrichtenagentur Interfax Parallelen zum Krieg gegen die Ukraine. Am 9. Juni ist der 350. Geburtstag von Peter dem Großen, der sich mit Eroberungen im Norden Russland einen Zugang zur Ostsee sicherte – als so genanntes „Fenster nach Europa“. Seit dieser Zeit habe sich fast nichts geändert, behauptete Putin nun in einem Gespräch mit Jungunternehmen im Vorfeld des Internationalen Petersburger Wirtschaftsforums.

UNHCR: 4,8 Millionen ukrainische Flüchtlinge in Europa
In europäischen Ländern halten sich nach einer Analyse des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) zurzeit gut 4,8 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine auf. Fast 7,3 Millionen Grenzüberschreitungen ins Ausland wurden seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar registriert, berichtete das UNHCR. Ebenso weist die Statistik 2,3 Millionen Grenzüberschreitungen in entgegengesetzter Richtung, also vom Ausland in die Ukraine, aus. Die meisten geflüchteten Ukrainer leben demnach im Nachbarland Polen: mehr als 1,15 Millionen Menschen. In Russland halten sich geschätzt gut 1,1 Millionen Menschen auf, die seit Februar aus der Ukraine geflüchtet sind. Drittgrößtes Aufnahmeland ist demnach Deutschland, mit 780.000 Geflüchteten, gefolgt von Tschechien, Italien und Spanien.

Ukraine hält Russlands Cyber-Angriffen offenbar stand
Experten für digitale Sicherheit hatten mit großflächigen Cyber-Angriffen auf die Ukraine gerechnet. Doch was auch immer die russische Strategie war: Sie ist nach Einschätzung mehrerer Experten bislang wenig erfolgreich. So zitiert die Nachrichtenagentur AFP den litauische Chef für Cyber-Sicherheit, Oberst Romualdas Petkevicius, Russland sei offenbar nicht in der Lage, „einen koordinierten Cyber- und kinetischen Krieg zu führen“. Überall in der Ukraine gebe es Cyber-Aktivitäten, „aber ich glaube nicht, dass sie sehr gut geplant sind“. Auch der Leiter der französischen Cyber-Abwehrtruppen, General Didier Tisseyre, äußert sich einer Internationalen Fachmesse in Lille ähnlich. Vielleicht hätten die russischen Hacker es nicht geschafft, das so zu organisieren, wie sie es wollten. Oder Moskaus Fähigkeiten seien auf dem Gebiet „nicht so stark, wie wir es uns vorstellen“.

Quelle: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ukraine-russland-konflikt-blog-100.html