I’m making believe that you’re in my arms
Though I know you’re so far away
Making believe I’m talking to you
Wish you could hear what I say
And here in the gloom of my lonely room
We’re dancing like we used to do
Making believe is just another way of dreaming
So ‚til my dreams come true
I’ll whisper goodnight
Turn out the light and kiss my pillow
Making believe it’s you
And here in the gloom of my lonely room
We’re dancing like we used to do
Making believe is just another way of dreaming
So ‚til my dreams come true
I’ll whisper goodnight
Turn out the light and kiss my pillow
Making believe it’s you…

Ella Fitzgerald and The Ink Spots
Mack Gordon / James V. Monaco


»Stay away from Gretchen« – Verschwiegene Familiengeschichten

Greta ist dement. Ihr Sohn kann damit nur schwer umgehen. Doch nach und nach beginnt die 84-jährige Mutter, von ihrem Leben zu erzählen: von der Kindheit in Ostpreußen, der Flucht nach dem Krieg nach Westdeutschland. Und dann entdeckt der Sohn ein weiteres Kapitel im Leben der Mutter: die Geschichte einer verbotenen Beziehung mit einem afroamerikanischen Soldaten, der in Heidelberg stationiert ist.

Greta ist eine Romanfigur und eine der Protagonisten in Susanne Abels Buch »Stay away from Gretchen. Eine unmögliche Liebe«. Das Buch ist vergangenes Jahr erschienen – und steht schon eine ganze Weile auf der Spiegel-Bestseller-Liste.

Im Interview spricht sie über die Arbeit an dem Buch, die Recherche und darüber, was sie dabei besonders fasziniert hat.

»Stay away from Gretchen« ist Ihr erster Roman. Was hat Sie dazu gebracht, mit dem Schreiben anzufangen?

Es gab zwei Auslöser für mein Buch. Ich hatte eine demenzkranke Mutter, sie war zwölf Jahre krank, und ich habe sie in dieser Zeit erst richtig kennengelernt. Ihre Vergangenheit hat ihre Gegenwart geflutet, und sie war dagegen hilflos. In der Demenz vergisst man, worüber man schweigen wollte. Dann habe ich 2015 einen Bericht im WDR gesehen. Es war die Zeit, als viele Flüchtlinge gekommen sind, und in diesem Bericht standen zwei alte Menschen mit Habseligkeiten, die sie spenden wollten, vor einem Containerdorf für Flüchtlinge, das behelfsmäßig in Köln errichtet worden war. Sie wurden gefragt, warum sie dort stehen. Beide waren sehr alt und sagten mit tränenerstickter Stimme: »Wir wissen genau, wie es den Menschen hier geht, wir sind selbst Flüchtlinge, wir kommen aus Ostpreußen.« Das hat mich so berührt, dass ich angefangen habe, über Flüchtlinge in der Nachkriegszeit zu recherchieren. Das war der zweite Zünder für den Roman.

Wie sind Sie bei der Recherche vorgegangen?

Sehr assoziativ. Dank Internet gibt es unendlich viele Möglichkeiten. Ich bin ein Recherche-Junkie. Irgendwann habe ich gedacht: Ich habe Angst vor dem ersten Satz, ich muss anfangen zu schreiben. Sonst hätte ich immer weiter recherchieren können, weil man auf so viel Faszinierendes stößt.

Zum Beispiel?

Es gibt bei Youtube einen Kanal, »Gedächtnis der Nation«, in dem Menschen ihre Geschichten erzählen. Dort kann man zu vielen Thema etwas finden – ob Flucht oder Gefangenschaft. Was es auch oft gibt: Kinder oder Enkel veröffentlichen die Lebenserinnerungen ihre Eltern oder Großeltern. Auf diese Weise habe ich großartige Sachen gefunden.

Die der Leser jetzt in den Figuren Ihres Roman wiederfindet?

Ja, zum Beispiel die Hauptfigur im Roman, Greta, ist 1931 geboren und wird im »Dritten Reich« sozialisiert. Für sie als Jugendliche ist Hitler eine Art Rockstar. Als die Familie fliehen muss, ist Greta ein junges Mädchen. Sie kann es kaum verkraften, dass sie das Führerbild, das in ihrem Kinderzimmer hängt, nicht mitnehmen darf. Bevor sie das Haus verlässt, deckt sie es zu. Diese Geschichte habe ich nicht erfunden, sie stammt aus einem Tagebuch. Ein anderes Beispiel: Meine älteste Freundin ist 90. Ich habe sie gefragt, wie es damals mit der Sexualität gewesen ist. Ob sie aufgeklärt worden ist. Sie bekam mit 19 ihr erstes Kind, und sie hat mir erzählt, dass sie mit ihrem dicken Bauch nichts wusste. Auch nicht, was mit ihr passiert. Weil sie niemanden hatte, den sie fragen konnte. Solche Geschichten habe ich aufgesaugt wie ein Schwamm, den ich beim Schreiben ausdrücken konnte.

Haben Sie mit dem Material aus Ihren Recherchen weitere Projekte geplant?

Ein weiteres Projekt ist gerade fertig geworden: mein zweites Buch. Da habe ich die Recherche vom ersten mitgenommen. Im ersten Buch geht es um die mütterliche Geschichte, im zweiten um die väterliche.

Haben Sie Rückmeldungen zu Ihrem Buch bekommen von Menschen, die diese Zeit erlebt haben?

Ja, ganz viele, und das ist wirklich überwältigend für mich. Dass das Buch ein großer Erfolg ist, davon hätte ich nicht zu träumen gewagt. Ich habe den Eindruck, dass es zwei Tendenzen gibt: Einmal Leserinnen, meistens sind es Frauen, die in irgendeiner Form einen familiären Hintergrund haben, der mit der Flucht aus deutschen Ostgebieten zu tun hat. Und die Leserinnen, die in Gegenden aufgewachsen sind, in denen Amerikaner stationiert waren und eine große Rolle spielten. Viele Menschen haben gesagt, sie haben beim Lesen gleichzeitig gelacht und geweint. Und ich hatte immer das Gefühl: Diese Tränen, die sie weinen, sind die ungeweinten Tränen der Mütter oder Großmütter.

Weil sie, wie auch Greta im Buch, so vieles verdrängt haben?

Ich kenne das aus meiner eigenen Familie: Die Geschichten von damals würden diese Menschen vielleicht einem Dritten erzählen, jemandem, der nicht davon betroffen ist. Aber es ist ein Tabu, die eigenen Kinder mit unsäglichem Leid zu belasten. Ich habe das sehr lange nicht verstanden, es hat mich wütend gemacht, weil ich alles wissen wollte. Aber inzwischen verstehe ich es. Und ich weiß, dass einem fremde Leute eher etwas erzählen als die eigenen Eltern. Aber auch, wenn mein Roman voller schwieriger Themen ist – Krieg, Rassismus, Demenz -, habe ich doch versucht, mit einer gewissen Portion Humor zu schreiben. Diesen Humor habe ich von meiner Mutter geerbt. Ihre Art, sich von mir zu verabschieden, war immer: »Susanne, sei brav und klau nichts. Aber wenn du was findest, schick’s heim.«

Sabrina Dämon
Stand: 04.02.2022, 05:00 Uhr