. . . O Lou, in einem Gedicht, das mir gelingt, ist viel mehr Wirklichkeit als in jeder Beziehung oder Zuneigung, die ich fühle. Wo ich schaffe, bin ich wahr, und ich möchte die Kraft finden, mein Leben ganz auf diese Wahrheit zu gründen, auf diese unendliche Einfachheit und Freude, die mir manchmal gegeben ist. Schon als ich zu Rodin ging, suchte ich das; denn ahnungsvoll wußte ich seit Jahren von seines Werkes unendlichem Beispiel und Vorbild. Nun, da ich von ihm kam, weiß ich, daß auch ich keine anderen Verwirklichungen verlangen und suchen dürfte als die meines Werkes . . . Aber wie soll ich es anfangen, diesen Weg zu gehen – wo ist das Handwerk meiner Kunst, ihre tiefste und geringste Stelle, an der ich beginnen dürfte, tüchtig zu sein? Ich will jeden Rückweg gehen bis zu jenem Anfang hin, und alles, was ich gemacht habe, soll nichts gewesen sein, geringer denn das Fegen einer Schwelle, zu der der nächste Gast wieder die Spur des Weges trägt. Ich habe Geduld für Jahrhunderte in mir und will leben, als wäre meine Zeit sehr groß. Ich will mich sammeln aus allen Zerstreuungen, und aus den zu schnellen Anwendungen will ich das Meine zurückholen und aufsparen. Aber ich höre Stimmen, die es gut meinen, und Schritte, die näher kommen, und meine Türen gehen . . . Und wenn ich Menschen suche, so raten sie mir nicht und wissen nicht, was ich meine. Und Büchern gegenüber bin ich ebenso (so unbeholfen), und sie helfen mir auch nicht, als ob auch sie noch zu sehr Menschen wären . . . Nur die Dinge reden zu mir.

Ich fange an, Neues zu sehen: schon sind mir Blumen oft so unendlich viel, und aus Tieren kamen mir Anregungen seltsamer Art. Und auch Menschen erfahre ich schon manchmal so, Hände leben irgendwo, Munde reden, und ich schaue alles ruhiger und mit größerer Gerechtigkeit.

Rainer Maria Rilke