Wie oft geschieht es mir nicht, daß ich gewissermaßen als ein Chaos aus meiner Stube trete, draußen, von jemandem aufgefaßt, eine Fassung finde, die eigentlich die seine ist und im nächsten Moment, zu meinem Staunen, gut geformte Dinge ausspreche, während doch eben noch alles in meinem ganzen Bewußtsein völlig amorph war.
Wem sag ich das, liebe Lou, ich weiß es ja fast durch Dich, daß es so ist, Du siehst, wie wenig sich verändert hat, – und in diesem Sinne werden die Menschen immer das Falsche für mich sein, etwas, was meine Leblosigkeit galvanisiert, ohne ihr abzuhelfen.
Ach Liebe, ich weiß ja so gut, daß mein frühster Instinkt der endgültige war, ich will gar nichts gegen ihn thun, aber ich bin doch nun einmal unter die Menschen gesetzt und habe wirkliche Einflüsse von ihnen empfunden und mich in sie hineingewirkt wie einer von ihnen.

Rainer Maria Rilke

… zum Geburtstag von Lou Andreas-Salomé