Es ist nur gerade so, daß wir nicht Winter haben; was da eigentlich vor sich geht, ist nicht gut zu beschreiben; es ist ein absolut negativer Zustand. Der Winter fällt weg, das will sagen auch alles das Schöne, Weiße, Geheimnisvolle, das mit ihm kommt, das Weihnachtliche, von dem Sie sicher jetzt leben; denn Ihnen muß es, in dem stillen Schloß (dessen Bild zu kennen ich Ihnen sehr danke) ganz besonders nahe kommen mit seinen erwartungsvollen Dämmerungen, seinen lautlos auf etwas zugehenden Tagen, seiner ganzen kindheitvollen Feierlichkeit, die in allem ist: in dem Geräusch des Sturmes, in dem Brausen und Krachen der Scheite in den Kaminen, in der Art, wie abends der Lampenkreis übergeht ins unbestimmte schwingende, schwebende Halbdunkel, in das die Dinge sich zurückziehn, – und Nachts, in der großen tiefen Stille, die aus dem Parke kommt und vom Himmel herunter und aus den Sälen und den Gängen des alten Hauses, darin so vieles vergangen ist und nichts ganz vergangen –. Es mag Ihnen, die Sie den Süden noch ganz zusammenstimmen fühlen mit irgend einem hellen Traum Ihrer jungen Seele, undankbar scheinen, daß einer da steht, angesichts des Meeres, in einem Garten, in dem hunderte von Rosen blühn und in dem die Orangen eben reif geworden sind, und doch diese Gedanken denken kann und diese gefühle fühlen,die von alledem abgewendet sind. Sie sagten einmal von diesem Menschen, anerkennend, er könne nie sentimental werde: ist er’s nun?
Rainer Maria Rilke