
„Vor genau 100 Tagen sind wir in einer neuen Realität aufgewacht“, sagt Selenskyj. Die Ukrainerinnen und Ukrainer hätten neue Erfahrungen lernen müssen – Worte wie Raketentreffer, Ruinen, Deportation, Ortsnamen wie Hostomel, Butscha oder Mariupol, die Namen russischer, ukrainischer und ausländischer Waffensysteme. 100 Tage nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat sich Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko siegessicher gezeigt. Russland führe einen „barbarischen Krieg zur Vernichtung der Ukraine und der Ukrainer“, sagte er in einem Selfie-Video, das er am Freitag in seinem Telegram-Kanal veröffentlichte. 100 Tage Krieg seien voller blutiger Schlachten, Verluste und Todesfälle, sagte Klitschko.
„Es ist aber auch eine Zeit des Mutes und der Ausdauer“, so der frühere Box-Weltmeister. „Wir stehen und kämpfen alle zusammen. Jeder an seinem Platz. Wir bewundern unsere Streitkräfte“, sagte er. „Ja, es wird schwierig. Aber ich glaube, dass jeder von uns diese Prüfungen mit Würde überstehen wird. Denn dies ist ein Krieg des Bösen und des Guten. Und Güte und Gerechtigkeit gewinnen immer noch.“
Gestohlenes Getreide unter anderem in Türkei verkauft
Aus der Ukraine gestohlenes Getreide ist nach Angaben des ukrainischen Botschafters in der Türkei in mehreren Ländern verkauft worden. Wassyl Bodnar sagte am Freitag vor Journalisten in Ankara, auch die Türkei gehöre zu den Empfängerländern des gestohlenen Getreides. Seine Botschaft bereite Strafverfahren gegen Einzelpersonen und Unternehmen vor, die am Verkauf der Ware beteiligt gewesen seien. Sie werde dabei unterstützt von der internationalen Polizeibehörde Interpol. „Jeder, der in den Verkauf von gestohlenen Waren verwickelt ist, wird gefunden und vor Gericht gestellt werden“, sagte der Botschafter. Bodnar warnte, dass Unternehmen, die mit Russland Geschäfte machten, von der Teilnahme an künftigen Projekten zum Wiederaufbau der Ukraine ausgeschlossen würden.
Russlands Präsident Wladimir Putin weist eine Verantwortung seines Landes für Ausbleiben der ukrainischen Getreide-Exporte zurück. Berichte über ein russisches Exportverbot seien ein Bluff, sagt Putin im Fernsehen. Die westlichen Staaten versuchten ihre eigenen politischen Fehler zu überdecken, indem sie Russland für die Probleme auf dem Weltmarkt verantwortlich machten. Der einfachste Weg, das Problem zu lösen, sei die Ausfuhr über Belarus.
Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko hat sich grundsätzlich offen für einen Export von ukrainischem Getreide über sein Land geäußert, aber zugleich ein Entgegenkommen bei Sanktionen gefordert. Ukrainisches Getreide könne über Belarus zu Häfen der baltischen Staaten transportiert werden, wenn auch belarussische Güter von dort aus weiterverschifft würden, sagt Lukaschenko laut der heimischen Nachrichtenagentur Belta.
Darüber habe Lukaschenko auch mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres telefoniert, hieß es weiter. Die Vereinten Nationen (UN) haben sich eingeschaltet und verhandeln auch mit Russland, um die Getreidelieferungen möglich zu machen.
Inmitten der russischen Blockade von ukrainischem Getreide hat Kremlchef Wladimir Putin den Präsidenten der Afrikanischen Union (AU), Macky Sall, getroffen. Putin empfing den Staatschef Senegals am Freitag in dem Schwarzmeer-Kurort Sotschi, um auch über eine Abwendung einer Hungerkatastrophe in Afrika zu sprechen. Sall traf den russischen Präsidenten, um eine Aufhebung der Ausfuhrblockade zu fordern. Russland hingegen will erreichen, dass die AU sich im Westen dafür einsetzt, dass die Sanktionen gegen Moskau im Zuge von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine aufgehoben werden.
Getreide ist auf dem Weltmarkt im vergangenen Monat teurer geworden. Die Preise etwa für Weizen seien den vierten Monat in Folge gestiegen und lagen im Mai 5,6 Prozent über dem Niveau des Vormonats April und 56,2 Prozent über dem Durchschnittspreis vom Mai 2021, wie die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen (UN) in Rom mitteilte.
Den Anstieg führten die Experten auf einen angekündigten Export-Stopp Indiens und den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zurück, wo wegen des Konflikts geringere Produktionsmengen erwartet werden. Die Berechnungen beziehen sich auf den internationalen Großhandel und stehen nicht für die Preise, die Verbraucher im Handel bezahlen. Die FAO schätzt weiter, dass in diesem Jahr weniger Getreide produziert werden könnte. Es wäre demnach das erste Mal in vier Jahren, dass die Produktion sinkt.
Ukrainisches Militär: Russland bereitet Angriff auf Großstadt vor
Die russische Armee zieht nach Angaben des ukrainischen Generalstabs starke Kräfte für einen Angriff auf die Großstadt Slowjansk im Donbass zusammen. Das ukrainische Militär sprach am Freitagabend auf Facebook von bis zu 20 russischen Bataillons-taktischen Gruppen (BTG). Das sind Kampfeinheiten mit gepanzerter Infanterie, Artillerie und Luftabwehr, sie zählen 600 bis 800 Soldaten.
Slowjansk gehört zum ostukrainischen Verwaltungsgebiet Donezk, dessen vollständige Eroberung sich Russland in dem seit 100 Tagen währenden Krieg auf die Fahnen geschrieben hat. Die Stadt liegt außerdem im Rückraum des seit Tagen umkämpften Sjewjerodonezk im Gebiet Luhansk. Die militärischen Angaben waren zunächst nicht unabhängig überprüfbar.
Deutschland darf frühere Schweizer Leopard-Panzer weitergeben
Deutschland darf Kampfpanzer aus früheren Beständen der Schweizer Armee an andere europäische Staaten liefern. Das neutrale Land habe für einen entsprechenden Antrag grünes Licht gegeben, wie das Schweizer Verteidigungsministerium am Freitag mitteilte.
Es geht um Leopard-Kampfpanzer, die die Schweiz dem Hersteller Rheinmetall zurückverkauft hatte. Die weitere Verwendung der Panzer liege in der alleinigen Verantwortung von Rheinmetall und unterstehe damit der deutschen Kriegsmaterialexportgesetzgebung. „Deutschland kann frei über die weitere Verwendung dieser Fahrzeuge entscheiden“, hieß es in der Mitteilung. Dagegen lehnte es die Schweiz ab, stillgelegte Leopard 2 aus eigenen Beständen an Polen zu verkaufen. Dafür wäre ein Entscheid des Parlaments notwendig. Dies sei aber in angemessener Frist nicht realisierbar.
Finanzminister Lindner plant Kiew-Besuch
Bundesfinanzminister Christian Lindner bereitet eine Reise nach Kiew vor. „Ich habe eine Einladung erhalten – und die werde ich annehmen“, sagte er am Freitag im TV-Sender Welt.
Anfang Mai hatte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Kiew besucht; es war die erste Reise eines Mitglieds des Bundeskabinetts in die ukrainische Hauptstadt seit Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hingegen war seit Kriegsbeginn noch nicht in Kiew. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat am Vormittag den ukrainischen Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk im Kanzleramt empfangen. Dieser habe Scholz nach Kiew eingeladen, was der Kanzler „freundlich zur Kenntnis genommen“ habe, berichtete Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner. Von konkreten Reiseplänen sagte er jedoch nichts.
Scholz war anders als viele andere europäische Spitzenpolitiker seit Beginn des Ukraine-Kriegs nicht in Kiew. Hintergrund ist unter anderem eine Kontroverse um eine Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durch die ukrainische Regierung. Dieser Konflikt wurde inzwischen aber ausgeräumt. Auch Präsident Selenskyj hat den Kanzler sowie Steinmeier seit dem bereits nach Kiew eingeladen.
Der ukrainische Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk kann sich vorstellen, dass Staatschef Wolodymyr Selenskyj Deutschland besucht, wenn sich das Kriegsgeschehen positiv für die Ukraine entwickelt. „Wenn der Sieg naht, dann denke ich, wird er (Selenskyj) schon Besuche in verschiedenen Ländern machen und zu einem offiziellen Besuch nach Deutschland kommen“, sagte Stefantschuk der Deutschen Presse-Agentur nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin laut offizieller Übersetzung.
Moskau: „Spezialoperation“ wird bis zum Erreichen der Ziele fortgesetzt
Russland bekräftigt auch 100 Tage nach Kriegsbeginn, es werde seine „Militäroperation“ in der Ukraine fortsetzen, bis alle Ziele erreicht seien. Eines der Hauptziele sei der Schutz der Menschen in den Regionen Donezk und Luhansk, sagt Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow mit Verweis auf die Gebiete in der Donbass-Region im Osten der Ukraine, die teilweise schon seit 2014 von pro-russischen Separatisten kontrolliert werden. „Es wurden Maßnahmen ergriffen, um ihren Schutz zu gewährleisten, und es wurden bestimmte Ergebnisse erzielt.“
Ukraine: Russland plant langwierigen Stellungskrieg
Russland plant nach Einschätzung des ukrainischen Verteidigungsministers Olexij Resnikow einen langwierigen Stellungskrieg. „Der Kreml versucht, den Krieg in eine langwierige Phase zu bringen“, sagt Resnikow auf der Sicherheitskonferenz Globsec 2022 Bratislava Forum per Videoschalte. „Anstatt vorzurücken, bauen die russischen Streitkräfte in den besetzten Gebieten im Süden des Landes, vor allem in Cherson, gestaffelte Verteidigungsstellungen auf.“
Astronaut Maurer: Bedrückende Bilder vom All aus gesehen
Während Astronaut Matthias Maurer auf der Internationalen Raumstation ISS war, startete Russland auf der Erde den Angriffskrieg gegen die Ukraine. „Wir waren dann sehr sehr, geschockt und wirklich entsetzt darüber, was auf der Erde passiert“, erzählte Maurer im ZDF Morgenmagazin. Aus 400 Kilomtern Höhe habe man mitverfolgen können, wie Raketen in der Ukraine einschlugen. Zudem sei die Ukraine seit Kriegsbeginn bei Nacht „ganz, ganz dunkel“ gewesen und nicht wie normal beleuchtet, um Angriffen kein Ziel zu geben. „Also es waren schon sehr bedrückende Bilder, was wir vom Weltraum aus gesehen haben.“
UN: Ukraine-Krieg könnte global 1,4 Milliarden Menschen betreffen
Der Krieg in der Ukraine könnte laut den Vereinten Nationen massive globale Auswirkungen haben. Etwa 1,4 Milliarden Menschen könnten von Nahrungsmittelknappheit betroffen sein, wenn Exporte von Getreide aus der Ukraine und Dünger aus Russland weiter ausblieben, sagte Amin Awad, der UN-Krisenkoordinator für die Ukraine, bei einer Online-Pressekonferenz der Vereinten Nationen.
Es sei deshalb unbedingt notwendig, dass die Handelsrouten über das Schwarze Meer nicht länger blockiert bleiben. „Wenn die Öffnung der Häfen scheitert, wird das Hunger, Destabilisierung und Massenmigration auf der ganzen Welt zur Folge haben“, sagte Awad, der aus Kiew zugeschaltet war.
Sechstes EU-Sanktionspaket gegen Russland beschlossen
Die 27 EU-Staaten haben das sechste Sanktionspaket gegen Russland beschlossen. Das teilten die EU-Staaten heute mit. Das Sanktionspaket sieht unter anderem ein weitgehendes Öl-Embargo gegen Russland vor.
Außerdem wird unter anderem die größte russische Bank, die Sberbank, aus dem Finanzkommunikationsnetzwerk Swift ausgeschlossen und es werden mehrere russische Nachrichtensender in der EU verboten. Nach dem formellen Beschluss dürften die Sanktionen noch am Freitag im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. Dann sind sie in Kraft.
Quelle: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ukraine-russland-konflikt-blog-100.html